Europäisches Biodiesel kann nach Ansicht Gießener Agrarwissenschaftler nachhaltig sein
Prof. Friedt und Dr. Snowdon äußern in „Nature“ Kritik an kürzlich veröffentlichter Studie
Nr. 195 • 4. Oktober 2012
Gießener Agrarwissenschaftler haben sich kritisch zu einer Meldung der Zeitschrift „Nature“ geäußert, in der die Nachhaltigkeit der europäischen Biodieselproduktion aus Raps in Frage gestellt wurde ("Rapeseed biodiesel fails sustainability test" – August 9, 2012; doi:10.1038/nature.2012.11145). Die Stellungnahme der Rapsforscher Dr. Rod Snowdon und Prof. Dr. Wolfgang Friedt vom Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung I der Justus-Liebig-Universität Gießen ist in der aktuellen „Nature“-Ausgabe erschienen. Darin bemängeln die Forscher, dass die ursprüngliche Nachricht auf einer vorläufigen und nicht begutachteten Studie basiere, „die unter anderem veraltete Ertragsdaten sowie nicht relevante Produktions- und Verarbeitungstechniken als Basis verwendete“, wie sie betonen.
Aufgrund der enormen Zuchtfortschritte im Laufe der letzten Dekaden – gerade auch beim Raps – halten die Gießener Wissenschaftler es für unverständlich, dass die in „Nature“ zitierte Studie Ertragsmittelwerte aus den Jahren 1991 bis 2005 als Basis für eine aktuelle Nachhaltigkeitsberechnung verwendet hat. Die aktuellen Winterrapserträge in den europäischen Ländern, in denen die größten Mengen Rapssaat für die Ölgewinnung und Herstellung von Biodiesel produziert werden, liegen im Mittelwert der letzten Jahre fast 40 Prozent höher als die in der Studie zitierten Ertragswerte. In der gleichen FAO-Datenbank, die von den Autoren für ihre Studie als Quelle zitiert wurde, sind auch die aktuellen Ertragsdaten verfügbar (http://faostat.fao.org/). So lag der Praxisertrag in Deutschland im Mittel der Jahre 2008 bis 2010 bei vier Tonnen pro Hektar.
Die Kritik der Gießener Pflanzenzüchter richtet sich gleichermaßen an die Autoren der Studie wie auch an die Zeitschrift selbst. Sie bezeichnen es als problematisch, „dass ein so hoch angesehenes Journal wie ‚Nature‘ durch seine Berichterstattung die Ergebnisse einer Studie, die nicht zuvor durch allgemein akzeptierte wissenschaftliche Kontrollmechanismen evaluiert wurde, ohne kritische Überprüfung als Fakt darstellen konnte“. Insbesondere bei so kontrovers diskutierten Themen wie erneuerbaren Biokraftstoffen müsse die Politik sich auf fundierte und belastbare wissenschaftliche Studien und eine akkurate Berichterstattung in der wissenschaftlichen Fachliteratur verlassen können, meinen die JLU-Wissenschaftler.
- Weitere Informationen
http://www.nature.com/nature/journal/v490/n7418/full/490037d.html
- Stellungnahme der JLU-Wissenschaftler in „Nature“
- Kontakt
Dr. Rod Snowdon, Prof. Dr. Wolfgang Friedt
Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung I
Interdisziplinäres Forschungszentrum (IFZ) der JLU
Telefon: 0641 99-37423 (Snowdon) und 0641 99-37420 (Friedt)
Pressestelle der Justus-Liebig-Universität Gießen, Telefon 0641 99-12041