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Echt Bio braucht kompetente Bio-Kontrolle

Universität Gießen und Gesellschaft für Ressourcenschutz bieten staatlich anerkannte Basisqualifikation zur Öko-Kontrolle an – Neue Karrierepfade für Nachwuchskräfte

Nr. 59 • 17. April 2024

Betriebsbesichtigung zur Bio-Kontrolle in der Landwirtschaft.
Betriebsbesichtigung zur Bio-Kontrolle in der Landwirtschaft.

30 Prozent ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft: So lautet das Ziel der Bundesregierung bis zum Jahr 2030. Doch wo kommt so viel „Bio“ her? Können wir darauf vertrauen, dass Bio-Betriebe ihre Nutztiere artgerecht halten, ihren Anbau umweltgerecht gestalten sowie verbotene Dünger und Pflanzenschutzmittel nicht doch bei Nacht und Nebel heimlich einsetzen? Besteht die Gefahr, dass es in Handels- und Verarbeitungsunternehmen zu einer „wundersamen Bio-Vermehrung“ kommt, indem konventionelle Produkte als „Bio“ umdeklariert werden? Um sicherzustellen, dass Bio drin ist, wo Bio draufsteht, bedarf es einer kompetenten Kontrolle, und natürlich auch immer mehr kompetenter Fachkräfte. Die Justus-Liebig-Universität (JLU) Gießen und die Gesellschaft für Ressourcenschutz (GfRS) vermitteln künftigen Bio-Kontrolleurinnen und -Kontrolleuren das nötige Wissen und eröffnen somit Nachwuchskräften neue Karrierepfade.

Für die Biokontrolle stehen die staatlich zugelassenen Öko-Kontrollstellen, die im Auftrag der zuständigen Länderbehörden die Bio-Kontrollen durchführen. „Wir haben bei Bio in Deutschland ein sehr dichtes Kontrollnetz“, sagt Dr. Jochen Neuendorff, Geschäftsführer der Öko-Kontrollstelle Gesellschaft für Ressourcenschutz. „Hierzulande ist ein Bio-Kontrolleur für rund 100 Betriebe zuständig, bei der deutschen Lebensmittelüberwachung liegt dieses Verhältnis bei 1:500.“ Genauso intensiv sei die behördliche Überwachung der Öko-Kontrollstellen. 

Mit dem neuen Kursangebot von JLU und GfRS wird die Basiskompetenz neuer Bio-Kontrolleurinnen und -Kontrolleure auf ein solides Fundament gestellt: Der gemeinsam von JLU und GfRS getragene Basislehrgang Bio-Kontrolle ist seit kurzem durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) rückwirkend ab 2023 anerkannt. „Das Wissen dieses Basiskurses brauchen viele – nicht nur Mitarbeitende aus Öko-Kontrollstellen, sondern auch diejenigen aus zuständigen Landes-Öko-Behörden und aus der Bio-Branche. Unser Basiskurs bietet einen guten Einstieg“, ist sich Prof. Dr. Christian Herzig, Inhaber der Professur für Betriebslehre der Ernährungswirtschaft und des Agribusiness, sicher. Er ergänzt: „An der JLU Gießen freuen wir uns sehr darüber, Studierenden bzw. künftigen Absolventinnen und Absolventen ein solides Grundgerüst an die Hand geben zu können, mit dem sich neue berufliche Möglichkeiten eröffnen.“

Kennenlernen einer Bio-Kontrolle im Verarbeitungsbetrieb. – Fotos: Christian Herzig
Kennenlernen einer Bio-Kontrolle im Verarbeitungsbetrieb. – Fotos: Christian Herzig

Das Blended Learning-Konzept des von der Bundesanstalt anerkannten Basiskurses umfasst mehrere E-Learnings mit Abschlusstest und eine Präsenzphase. In Präsenz vermitteln Referentinnen und Referenten aus zuständigen Länderbehörden, verschiedenen Öko-Kontrollstellen und Verbänden die komplexen Inhalte der EU-Bio-Verordnung auf interaktive Weise. Mit Exkursionen, Fallanalysen und Rollenspiele wird das Know-how didaktisch aufbereitet. Die Inhalte werden kontinuierlich fortgeschrieben, zum Beispiel mit der neuen Bio-AHV-Verordnung. 

Seit der Übernahme der Professur für Betriebslehre der Ernährungswirtschaft und des Agribusiness im Jahr 2022 bietet Prof. Herzig gemeinsam mit der GfRS diesen Basiskurs an, der sich in Gießen an Studierende von Studiengängen wie zum Beispiel Agrarwissenschaften und Ökotrophologie richtet. Von der rückwirkenden Anerkennung des Basiskurses 2023 profitieren Studierende, die den Kurs an der JLU im Herbst vergangenen Jahres erfolgreich bestanden haben. Sie haben nicht nur durch die Schulungen und Betriebsbesichtigungen wertvolle Einblicke in die Öko-Kontrollpraxis gewonnen, sondern halten nun ein berufsqualifizierendes Zertifikat in den Händen, das ihnen den Einstieg in unterschiedliche Berufsfelder mit Bezug zur Bio-Kontrolle erleichtert. Überreicht wurde es vom Vertreter des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), Thomas Zebunke.

Am dem Kurs 2023 waren u. a. drei ökologisch wirtschaftende Betriebe beteiligt: Gladbacher Hof der JLU (Landwirtschaft), Deffland Backtechnik (Verarbeitung) und Bio Catering Safran (AHV). Sie werden auch in diesem Jahr von den Kursteilnehmenden besucht, um Praxiserfahrungen zur Bio-Kontrolle zu sammeln.

Bio und Bio-Kontrolle in Deutschland
„Nur bei Einhaltung der strengen Vorgaben der EU-Bio-Verordnung 2018/848 dürfen Agrarprodukte sowie Lebens- und Futtermittel als Bio-Produkte vermarktet werden“, erläutert Prof. Herzig. Die Umsetzung wird in Deutschland im Öko-Landbaugesetz (ÖLG) und in der ÖLG-Durchführungsverordnung (ÖLG-DV) geregelt. Die Bio-Außer-Haus-Verpflegung-Verordnung (Bio-AHVV) regelt darüber hinaus bundesweit die Bio-Zertifizierung in der Gemeinschaftsgastronomie. Alle Betriebe und Unternehmen, die Bio-Produkte erzeugen, aufbereiten, kennzeichnen, in Verkehr bringen oder in die EU ein- oder aus der EU ausführen und diese mit einem Bio-Hinweis versehen, werden kontrolliert. In Deutschland wurde die staatliche Kontrollaufgabe auf private Kontrollstellen übertragen. Die Überwachung der privaten Kontrollstellen erfolgt durch die zuständigen Behörden. Derzeit gibt es 19 Kontrollstellen in Deutschland, die von 15 Überwachungsbehörden überprüft werden.

Die neu eingeführte Basisschulung soll eine einheitliche Basis für den Einstieg in eine Tätigkeit in der Ökokontrolle gewährleisten. Alle neu eingestellten Kontrolleurinnen und Kontrolleure in Öko-Kontrollstellen müssen von Beginn des Jahres 2025 an eine solche Basisschulung absolviert haben. Die Mindestinhalte dieser Schulung sind in der ÖLG-DV festgelegt und basieren auf einem von der BLE geförderten Projekt zur Schulung für neues Öko-Kontrollpersonal (KonKom-Projekt), das mit Beteiligung der Länder, der Forschung und der Branche vor einigen Jahren unter der Leitung von Prof. Dr. Jürgen Heß durchgeführt wurde. Prof. Heß ist an der Durchführung des Basiskurses in Gießen als Referent beteiligt.

GfRS Gesellschaft für Ressourcenschutz mbH
Die GfRS Gesellschaft für Ressourcenschutz mbH ist seit Juni 1992 als staatlich zugelassene Öko-Kontrollstelle bundesweit in Deutschland, Luxemburg und Österreich tätig. Sie prüft rund 6.000 Betriebe und Unternehmen. Im Rahmen des Quavera-Verbundes (www.quavera.org) erfolgen Auditierungen auch für weitere Zertifizierungsprogramme. Mitarbeitende der GfRS sind seit 1998 als Gutachter für verschiedene Akkreditierungsstellen international tätig. Die GfRS ist an einer Vielzahl von Forschungs- und Entwicklungsprojekten zur Weiterentwicklung von Zertifizierungsprogrammen beteiligt.

 

  • Weitere Informationen

www.sicher.bio
www.uni-giessen.de/ibae

 

  • Kontakt

Prof. Dr. Christian Herzig
Institut für Betriebslehre der Agrar- und Ernährungswirtschaft der JLU Gießen Senckenbergstraße 3, 35390 Gießen
Telefon: 0641 99-37271
E-Mail: Christian.Herzig

Dr. Jochen Neuendorff
GfRS Gesellschaft für Ressourcenschutz mbH 
Prinzenstraße 4, 37073 Göttingen 
Telefon: 0551 58657
E-Mail: jochen.neuendorff

 

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