Inhaltspezifische Aktionen

Erinnerung an Prof. Dr. Dr. Horst-Eberhard Richter

International renommierter Psychoanalytiker der Justus-Liebig-Universität Gießen und Ehrenbürger der Universitätsstadt Gießen wäre am 28. April 100 Jahre alt geworden

Nr. 57 • 28. April 2023

Prof. Horst-Eberhard Richter – Bild: Oliver Schepp / Archiv
Prof. Horst-Eberhard Richter – Bild: Oliver Schepp / Archiv

Sein Name ist unvergessen, sein Vermächtnis hat Bestand: Am 28. April 2023 wäre der renommierte Gießener Psychoanalytiker und Psychosomatiker Prof. Dr. Dr. Horst-Eberhard Richter 100 Jahre alt geworden. Die Universitätsstadt Gießen und die Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) erinnern aus Anlass des 100. Geburtstags im Rahmen einer Gedenkfeier im Rathaus an eine Ausnahmegestalt: an einen engagierten und vielfach ausgezeichneten Mediziner, an einen unermüdlichen Mahner für Solidarität und Gerechtigkeit sowie überzeugten Pazifisten. Ein wissenschaftliches Symposium zur Zukunft der psychodynamischen Psychotherapie und Psychosomatik zu Ehren von Prof. Richter ist am 6. und 7. Oktober 2023 geplant, zu dem Prof. Dr. Johannes Kruse, Direktor des Instituts für Psychosomatik und Psychotherapie der JLU und Richter-Nachfolger, zahlreiche Gäste nach Gießen einladen wird.

„Prof. Horst-Eberhard Richter hat das Zentrum und die Klinik für Psychosomatische Medizin aufgebaut, körperliche Erkrankungen und seelisches Erleben ganzheitlich gesehen und dazu beigetragen, dass die Psychotherapie heute in der medizinischen Versorgung einen festen Stellenwert hat“, erinnert JLU-Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee: „Das herausragende Engagement des Mediziners und Sozialphilosophen ist untrennbar mit der Justus-Liebig-Universität Gießen, ihrem Fachbereich Medizin und der Universitätsstadt Gießen verbunden, geht aber weit darüber hinaus:  Prof. Richter hat als Wegbereiter der Friedensbewegung und Weltbürger die deutsche Sektion der ,Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges /Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.' gegründet, die 1985 den Friedensnobelpreis erhalten hat. Seine weltanschaulichen Positionen waren und sind bis heute streitbar – auch dies ganz im Sinne Richters: Die Debatten um die gesellschaftspolitisch richtigen Wege sind untrennbar verbunden mit einer gelebten Demokratie.“

Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher erklärt anlässlich der gemeinsamen Gedenkfeier zum 100. Geburtstag von Horst-Eberhard Richter am 28. April im Hermann-Levi-Saal des Gießener Rathauses: „Horst-Eberhard Richter war ein über die Grenzen unseres Landes hinaus bekannter und geachteter Wissenschaftler und Humanist. Die nachhaltigen Spuren, die er in und für Gießen gesetzt hat, sind sein Vermächtnis an unsere Stadt. Er war und bleibt für Gießen ein Botschafter für Frieden, Menschlichkeit, Demokratie und Solidarität.“

Prof. Dr. Wolfgang Weidner, Dekan des Fachbereichs Medizin der JLU, würdigt insbesondere die herausragenden fachlichen Erfolge des Mediziners und Psychoanalytikers: „Prof. Horst-Eberhard Richter war ein herausragender, international bekannter und renommierter Psychoanalytiker, dem wir ein ehrendes Andenken bewahren. Er war maßgeblich beteiligt an der Entwicklung der Psychoanalyse und ihrer Anwendungen wie der Familien- und der Sozialtherapie. Einen wesentlichen Beitrag leistete er zudem bei der Etablierung des universitären Fachs Psychosomatik und Psychotherapie an der JLU. Seine Erfahrungen als Arzt verband er mit der Forschung und zog daraus wegweisende Schlussfolgerungen.“

„Horst-Eberhard Richter ist ein großer Pionier der Psychosomatischen Medizin“, ergänzt Prof. Dr. Johannes Kruse, Direktor des Instituts für Psychosomatik und Psychotherapie der JLU. „Wir haben ihm maßgebliche Impulse für die Entwicklung des Fachgebietes in Deutschland zu verdanken. Er analysierte präzise die Zusammenhänge zwischen den seelischen, biologischen und gesellschaftlichen Aspekten des Menschen, suchte nach den Bedingungen, die krankmachen, und nutzte dieses Wissen für die psychosomatische Diagnostik und Therapie. Er schuf Strukturen in der Medizin, die bis heute innovativ wirken.“

Horst-Eberhard Richter, geboren 1923 in Berlin, absolvierte sein Studium der Medizin, Philosophie und Psychologie sowie seine Ausbildung zum Psychiater und Psychoanalytiker in Berlin. Im Jahr 1962 wurde er auf den neuen Lehrstuhl für Psychosomatik an die Universität Gießen berufen. Hier baute er ein dreigliedriges interdisziplinäres Zentrum für Psychosomatische Medizin mit einer Psychosomatischen Klinik und den Abteilungen für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie auf, dessen Direktor er wurde. Prof. Richter gehörte zu den Wegbereitern der Gruppen- und Familientherapie sowie der psychosomatischen Medizin. 

Sein Wirken, auch nach seiner Emeritierung 1991, reichte weit über die Grenzen seines Faches hinaus in die Gesellschaft hinein. So engagierte sich Richter für soziale Brennpunktprojekte, in denen er seine wissenschaftlichen Erkenntnisse erfolgreich mit gesellschaftlicher Stadtteilarbeit verband. Im Rahmen der Initiativgruppe Eulenkopf in Gießen begleitete er in einer Brennpunkt-Siedlung lebende Familien psychoanalytisch. Bis 2002 leitete Richter nach seiner Emeritierung das Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt am Main. Einem breiten Publikum ist er u. a. durch seine Werke „Der Gotteskomplex“ (1979), „Die Chance des Gewissens“ (1986), „Bedenken gegen Anpassung – Psychoanalyse und Politik“ (1995), „Die Krise der Männlichkeit in der unerwachsenen Gesellschaft“ (2006) und „Moral in Zeiten der Krise“ (2010) in Erinnerung geblieben. Prof. Horst-Eberhard Richter starb am 19. Dezember 2011 im Alter von 88 Jahren. 

Horst-Eberhard Richter gilt als einer der Leitfiguren der Friedensbewegung. Er war Gründungsmitglied der deutschen Sektion der „Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges /Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.“. Im Jahr 1984 erhielt die Organisation den UNESCO-Preis für Friedenserziehung, 1985 den Friedensnobelpreis. Richter selbst erhielt zahlreiche Ehrungen, Auszeichnungen und Rufe an auswärtige Universitäten. Eine Büste auf dem Gelände vor dem Neuen Schloss am Brandplatz erinnert an ihn. Im Jahr 2007 wurde er zum Gießener Ehrenbürger ernannt und erhielt die erstmals vergebene Ehrenmedaille des Fachbereichs Medizin der Justus-Liebig-Universität.   

Presse, Kommunikation und Marketing • Justus-Liebig-Universität Gießen • Telefon: 0641 99-12041