Inhaltspezifische Aktionen

1933 - Inhaftierung im KZ Dachau

Von den insgesamt drei Söhnen der Familie Andersch, geriet Alfred eher wenig nach den Vorstellungen seines Vaters. Den antisemitischen Tiraden ging er weitestgehend aus dem Weg und tauchte stattdessen ein, in die Welt der Kunst und Literatur. Im Hause gab es eine umfangreiche Bibliothek mit den bedeutendsten Werken der deutschen Klassik sowie zahlreichen Übersetzungen der Weltliteratur. So kam der junge Andersch schon früh mit Werken von Hölderlin, Schiller oder Shakespeare in Verbindung. Er las mit Begeisterung, was in ihm schließlich den Wunsch weckte, selbst einmal Schriftsteller zu werden.

Während im Eltenhaus häufig nationalsozialistische „Kampfgefährten“ seines Vaters aus und ein gingen, las Alfred in seinem Zimmer heimlich die „Arbeiter-Illustrierte-Zeitung“, die Zeitschrift aus dem KPD-nahen Münzenberg-Verlag.

Durch die Buchhandelslehre, die ihm sein Vater verschafft hatte, beschäftigte er sich mit sozialkritischen Werken von Upton Sinclair, Romain Rolland, Bertolt Brecht und versuchte sich schließlich mit den wissenschaftlichen Untersuchungen von Eugen Varga und an Nikolaj Bucharins Studien zum dialektischen Materialismus.

Auch die Texte der wichtigsten sozialistischen Klassiker Marx, Engels, und Lenin lernte er kennen und bekam darüber hinaus Zugang zu Kreisen der Gewerkschaftsjugend und des Kommunistischen Jugendverbandes (KJV). Letzterem trat er 1929 bei.

 

Mit der Bekenntnis zur kommunistischen Bewegung versuchte Andersch sich seine eigenständige politische Identität zu schaffen. Im politischen Geschehen fiel er besonders dadurch auf, dass er sich gegen den „Freiwilligen Arbeitsdienst“ stark machte. Diese staatliche Maßnahme, sollte angeblich eine Hilfe für Arbeitslose darstellen, doch Andersch durchschaute, dass es sich bei diesem „Arbeitsdienst“ um nichts anderes, als eine Kriegsvorschule handelt, in welcher arbeitslosen Jugendlichen militärisches Denken und Verhalten beigebracht wurde.

 

1933 begründeten die Nazis mit der „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“ den Ausnahmezustand und richteten sich zunächst konzentriert gegen die politische Linke. Am 7. März meldeten die „Münchner Neuesten Nachrichten“ die Festnahme von 65 Kommunisten, darunter auch Alfred Andersch. Mit 139 weiteren Häftlingen wurde Andersch am 21. März in das erste Konzentrationslager in der Nähe von Dachau gebracht, doch kam er schon zwei Monate später wieder frei, da seine Mutter alles darangesetzt hatte, ihren Sohn, in Bezug auf dessen Vater, freizubekommen.

Ausschlaggebend für seine Entlassung war vermutlich ein einflussreicher NS-Funktionär und früherer Freund der Familie, der sich für den Jungen verbürgt hatte.

 

Im September 1933 wird Andersch ein weiteres Mal, im Zuge einer Razzia nach einer geheimen kommunistischen Druckerei, festgenommen und ins Polizeipräsidium gebracht. Hier warteten mehr als zwanzig weitere Verhaftete darauf, verhört zu werden, darunter auch einige Häftlinge aus Dachau. Was diese Häftlinge aus den jetzigen Zuständen im KZ zu berichten wussten, bewirkte bei Andersch einen tiefen psychischen Schock.

Die Gestapo prüfte sein Alibi und lies ihn als Einzigen an diesem Tag frei. Alle Übrigen wurden nach Dachau eingeliefert.