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Nachhaltigkeitsverständnis

Nachhaltigkeitsverständnis - komplett

Ein Blick zurück in die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des Nachhaltigkeitsbegriffs im 18. und 19. Jahrhundert offenbart, dass das Nachhaltigkeitsprinzip ursprünglich in der Forstwissenschaft verwendet wurde und bedeutete, nur so viel Holz zu schlagen, wie durch planmäßige Aufforstung nachwachsen kann.1 Impulse erhielt der Nachhaltigkeitsdiskurs der frühen Forstwissenschaft nicht zuletzt auch aus Gießen: Von den im 19. Jahrhundert am Forstinstitut der Universität Gießen lehrenden Christian Hundeshagen und Carl Justus Heyer wurde ein theoretisches Modell des „Normalvorrats“ an Holz eines voll bestockten Waldes mit gleichmäßiger Altersverteilung entwickelt. Die Heyersche Formel wird in Forstbetrieben noch immer für mittelfristige Planungen eingesetzt und fungiert als „ein wichtiger Weiser zur Herleitung des nachhaltigen Hiebsatzes, damit nicht mehr Holz eingeschlagen wird als zuwächst“.2

Der Begriff der Nachhaltigkeit ist diesen disziplinären Kontexten und Anwendungsbeispielen längst ent­wachsen und auf den Agenden der Vereinten Nationen (vgl. Agenda 2030)3 und zahlreicher Regierungen (vgl. Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie)4 ebenso fest verankert wie auf den Agenden der Hochschulen. So hat sich das Verständnis von Nachhaltigkeit insbesondere mit dem Brundtland-Bericht auf den Dreiklang von ökologischer Tragfähigkeit, sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit erweitert, der es aktuellen wie auch zukünftigen Generationen erlauben soll, ihre Bedürfnisse zu befriedigen.4, 5

Aufbauend auf diesem Verständnis begreift die Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) Nachhaltigkeit daher als ein zukunftsorientiertes und reflektiertes Handeln, das die Begrenztheit natürlicher Ressourcen unseres Planeten anerkennt und die Befriedigung der Bedürfnisse aller Menschen heute und in Zukunft im Einklang mit der Umwelt ermöglicht. Eine gerechte Verteilung der Ressourcen unter allen Menschen und über die Generationen hinweg bei Erhalt der Umwelt erfordert globale Transformationsprozesse. Dabei kommt den Hochschulen eine besondere Bedeutung zu.6 Die JLU bekennt sich zu ihrer institutio­nellen Verantwortung, durch wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn zur Entwicklung von innovativen Lösungen für ein nachhaltiges politisches, soziales, wirtschaftliches und ökologisches Handeln beizutragen und in der Lehre Wissen und Kompetenzen zu vermitteln, die nachhaltiges Handeln stärken. Darüber hinaus strebt die JLU danach, die eigenen institutionell-administrativen Prozesse möglichst ressourcen­schonend zu gestalten. Im Sinne eines Whole Institution Approach verankert die JLU den Nachhaltigkeits­gedanken in ihrem alltäglichen Wirken. Die nachhaltige Entwicklung der JLU wird als gemeinschaftliche Anstrengung der gesamten Hochschule verstanden und durch das individuelle Verhalten aller Mitglieder der JLU maßgeblich mitgetragen und unterstützt.

 


1 Vgl. Armin Grunwald, Jürgen Kopfmüller: Nachhaltigkeit, 3., aktualisierte und erweiterte Auflage, Frankfurt/New York 2022, S. 21f; Hanns Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica, Leipzig 1713.

2 Klaus Schwarz: Der Akademische Forstgarten. Symbol der Gießener Forstwissenschaft. In: Panorama 400 Jahre Universität Gießen; Justus-Liebig-Universität (Hrsg.), Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH, 2007, S. 211.

3 United Nations (Hrsg.): Transforming our world: the 2030 Agenda for Sustainable Development, Internet: https://sdgs.un.org/2030agenda. Letzter Zugriff: 20.09.2022.

4 Die Bundesregierung (Hrsg.): Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie. Weiterentwicklung 2021, Berlin, S. 14, 71f.

5 United Nations (Hrsg.): Report of the World Commission on Environment and Development: Our Common Future, 1987, Internet: https://sustainabledevelopment.un.org/content/documents/5987our-common-future.pdf. Letzter Zugriff: 20.09.2022.

6 Hochschulrektorenkonferenz (Hrsg.): „Hochschulen für nachhaltige Entwicklung“, Erklärung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und der Deutschen UNESCO-Kommission (DUK) zur Hochschulbildung für nachhaltige Entwicklung – Ein Beitrag zur UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“, 2009, S. 2.

 

Zu den Kapiteln: Vorwort | Nachhaltigkeitsverständnis | Strategieentwicklung | Forschung | Studium und Lehre | Transfer | Betrieb | Individuelles Verhalten | Governance