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Rahmenbedingungen und Herausforderungen

Wir setzen uns an der JLU bewusst mit den Möglichkeiten für eine Weiterentwicklung des Bereichs Studium und Lehre auseinander, um aktuellen wissenschaftlichen Entwicklungen und neuen gesellschaftlichen Themen sowie Herausforderungen konstruktiv zu begegnen. Als Institution, die sich der Tradition ebenso verpflichtet sieht wie der Innovation, hat die JLU dabei den Anspruch, gesellschaftsrelevante Zukunftsthemen – etwa in den Bereichen Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Diversität – bei der Entwicklung und Ausgestaltung ihres Studienangebots proaktiv zu berücksichtigen. Aus diesem Anspruch sowie aus dem Selbstverständnis der JLU als universitärer Bildungseinrichtung folgt u.a. eine wissenschaftsgeleitete Weiter- oder Neuentwicklung von Studiengängen, aber auch Anpassungen von Lehr- und Lerninfrastrukturen.

Bei einer strategischen (Neu-)Positionierung im Bereich Studium und Lehre müssen zunächst die spezifischen – geographischen, ökonomischen und gesellschaftlichen – Rahmenbedingungen des Standorts Gießen und des Bereichs Studium und Lehre an der JLU reflektiert werden. Mit der geographischen Lage der JLU im Zentrum Deutschlands und in der erweiterten Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main (mit der Regionalbahn ist der Frankfurter Hauptbahnhof in etwa 40 min zu erreichen) ist Gießen für potentielle Studierende innerhalb und außerhalb Hessens ein attraktiver Studienort. Allerdings steht die JLU zugleich in einer kompetitiven Hochschullandschaft. So findet sich allein in Hessen eine Vielzahl an Hochschulen (insgesamt 5 Universitäten und 5 Hochschulen für Angewandte Wissenschaften sowie mehrere kirchliche und private Hochschulen) und mit der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) in Gießen und der Philipps-Universität Marburg (UMR) liegen zwei Hochschulen in unmittelbarer Nachbarschaft

Mit ihrer zentralen Lage in Deutschland ist die JLU zudem nur ca. 150 km von großen Universitäten in den angrenzenden Bundesländern entfernt – zu nennen sind beispielsweise die Universitäten in Bonn, Mainz, Göttingen, Mannheim und Heidelberg. Studieninteressierte können somit in unmittelbarer geographischer Nähe zur JLU aus vielen attraktiven Studienorten wählen.

Studieninteressierte für die JLU zu gewinnen und ihnen ein wissenschaftlich und didaktisch hochwertiges Studium zu ermöglichen, folgt aus dem Selbstanspruch und dem gesellschaftlichen Auftrag der JLU. Zugleich handelt es sich auch um eine hochschulökonomische Notwendigkeit. Den Hintergrund bildet in diesem Zusammenhang die Hochschulfinanzierung des Landes Hessen, das wesentliche Teile des Hochschulbudgets auf Basis von Indikatoren an die einzelnen Hochschulen des Landes verteilt. Im Hessischen Hochschulpakt 2021-2025 (HHSP) liegt dabei ein Schwerpunkt auf quantitativen Leistungsindikatoren im Bereich Studium und Lehre, insbesondere auf den Studierendenzahlen. Auch die Anzahl von Absolventinnen und Absolventen wird im Erfolgsbudget budgetär vergolten. Insgesamt sind fast 90% des Budgets der Hochschulfinanzierung im Rahmen des HHSP 2021-2025, das über Indikatoren vergeben wird, an messbare Leistungen im Bereich Studium und Lehre gekoppelt.

Um der von der Landespolitik vorgegebenen hochschulökonomischen Bedeutung der Studierendenzahlen im Handeln der Gesamtuniversität Rechnung zu tragen, hat die JLU im Jahr 2022 ein neues Budgetierungsmodell (NBM) für die Fachbereiche 01-10 etabliert. Das NBM, das aus drei Teilbereichen – dem Indikatoren-gestützten Basisbudget (IGB), den Sondertatbeständen Fachbereiche (STBF) und dem Zielerreichungsbudget (ZEB) – besteht, legt analog zur Budgetsystematik des Landes einen deutlichen Schwerpunkt auf den Leistungsindikator Studierendenzahlen. Mit diesem neuen Modell wird die gemeinsame Verantwortung aller Fachbereiche, auf die Sicherung einer angemessenen Studierendennachfrage hinzuarbeiten, unterstrichen.

Innerhalb der geographischen und ökonomischen Rahmenbedingungen sieht sich die JLU aktuell und in den kommenden Jahren mit neuen multidimensionalen Anforderungen konfrontiert, die strategisch zu berücksichtigen sind. Zuvorderst sind die deutschlandweit zurückgehenden Studierendenzahlen zu nennen, die viele Universitäten (wenn auch in unterschiedlichem Maße) vor Herausforderungen stellen. Obwohl die JLU bisher von Rückgängen weniger stark betroffen ist als zahlreiche andere Hochschulen, hat sich auch in Gießen in den letzten zwei Jahren ein Rückgang der Studienanfängerinnen und -anfänger in nahezu allen Studiengängen gezeigt (WS 2020/21: 6987 Köpfe; WS 2021/22: 5814 Köpfe; WS 2022/23: 5377 Köpfe). Trotzdem ist das Niveau der Studierendenzahlen an der JLU weiterhin hoch und liegt deutlich höher als Anfang der 2000er Jahre. Zudem war der starke Anstieg der Studierendenzahlen durch verschiedene äußere Effekte bedingt (beispielsweise doppelte Abitur-Jahrgänge im Zuge der vorübergehenden Einführung des G8-Systems sowie Aussetzung der Wehrpflicht). Nach aktuellen Prognosen der Kultusministerkonferenz (KMK) müssen sich die Hochschulen nun auf einen demographisch bedingten Rückgang der Zahl der Studienanfänger bis 2026 um etwa 10% einstellen.

Entwicklung der Zahl ausländischer Studierender an der JLU (Quelle: Studierendenstatistik der JLU)

Neben der demographischen Entwicklung ist auch die zunehmende Heterogenität der Studienanfängerinnen und -anfänger zu berücksichtigen. Im Einklang mit dem Wissenschaftsrat, der jüngst Empfehlungen für eine zukunftsfähige Ausgestaltung von Studium und Lehre (2022) formuliert hat, begreifen wir Heterogenität dabei nicht als defizitäres Attribut, das Bestrebungen hin zu einer Homogenisierung zwingend erscheinen lässt, sondern vielmehr als eine „Vielfalt unterschiedlicher Voraussetzungen, Bildungsziele und Lebensumstände“ (WR 2022, S. 38) unter unseren Studierenden, die Potentiale eröffnet. Der Vielfalt der verschiedenen Bildungsbiographien und unterschiedlichen Lebenssituationen trägt die JLU mit einer Weiterentwicklung der vorhandenen Studien-, Beratungs- und Unterstützungsangebote in Richtung einer differenzierteren, zielgruppenorien-tierteren Angebotslandschaft Rechnung.


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