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Leibniz, Unvorgreifliche Gedanken (um 1697)

G.W. Leibniz: Unvorgreifliche Gedanken ... (um 1697)
-- Textgrundlage: Paul Pietsch: Leibniz und die deutsche Sprache (III). In: Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, Vierte Reihe, Heft 30 (1908) 313-356 und 360-371. PDF -- Pietsch stützte sich vor allem auf den Druck von 1717, zog für die Textherstellung aber auch die drei Handschriften A, B, C, alle in Hannover, heran. Den abweichenden Schluß der ältesten Handschrift A gebe ich unten in den Paragraphen A114 bis A119.
-- Digitale Fassung bearbeitet von Thomas Gloning, Stand 22.7.2000. Korrekturhinweis 20.9.2013: hospes korr. zu hostes (freundlicher Hinweis von Dieter Maue). Bei dieser Gelegenheit habe ich auch den Hinweis auf die bei archive.org verfügbare PDF-Datei der Pietsch-Ausgabe ergänzt.
Die Wiedergabe ist zeilengetreu, allerdings wurde die Silbentrennung aufgehoben; die Sperrungen der Ausgabe, die von Pietsch stammen, sind hier ausgelassen. In eckigen Klammern stehen die Seiten der Pietsch-Ausgabe. In A118, Z. 2 habe ich "auch" korrigiert aus "uach", in A119,4 "vermittelst" aus "vermitttelst" (Druckfehler). Das griechisch gedruckte Wort in Paragraph 82 habe ich so gekennzeichnet: "<gr>Kóre</gr>". Das Ende der Datei ist gekennzeichnet.
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[327] Unvorgreiffliche Gedancken,
betreffend die Ausübung und Verbesserung
der Teutschen
Sprache.

1. Es ist bekandt, daß die Sprach ein Spiegel des Verstandes, und
dass die Völcker, wenn Sie den Verstand hoch schwingen, auch zugleich
die Sprache wohl ausüben, welches der Griechen, Römer und Araber
Beyspiele zeigen.

2. Die Teutsche Nation hat unter allen Christlichen den Vorzug
wegen des Heiligen Römischen Reichs, dessen Würde und Rechte sie auff
[328] sich und ihr Oberhaupt gebracht, welchem die Beschirmung des wahren
Glaubens, die Vogthey der allgemeinen Kirche und die Beförderung
des Besten der gantzen Christenheit oblieget, daher ihm auch der
Vorsitz über andere hohe Häupter ohnzweiffentlich gebühret und
gelassen worden.

3. Derowegen haben die Teutsche sich desto mehr anzugreiffen, dass
sie sich dieser ihrer Würde würdig zeigen, und es andern nicht weniger
an Verstand und Tapfferkeit zuvor thun mögen, als sie ihnen an Ehren
und Hoheit ihres Oberhaupts vorgehen. Derogestalt können sie ihre
Missgünstige beschämen, und ihnen wider ihren Danck eine innerliche
Uberzeugung, wo nicht äusserliche Bekäntniss der Teutschen Vortrefflichkeit
abdringen.

Ut qui confessos animo quoque subjugat hostes.

4. Nachdem die Wissenschafft zur Stärcke kommen und die Krieges-Zucht
in Teutschland aufgerichtet worden, hat sich die Teutsche
Tapfferkeit zu unsern Zeiten gegen Morgen- und Abend-ländische
Feinde, durch grosse von Gott verliehene Siege wiederum mercklich
gezeiget; da auch meistentheils die gute Parthey durch Teutsche
gefochten. Nun ist zu wünschen, dass auch der Teutschen Verstand
nicht weniger obsiegen, und den Preiss erhalten möge; welches ebenmässig
durch gute Anordnung und fleissige Übung geschehen muss.
Man will von allem dem so daran hanget, anitzo nicht handeln, sondern
allein bemercken, dass die rechte Verstandes-Ubung sich finde, nicht
nur zwischen Lehr- und Lernenden, sondern auch vornehmlich im
gemeinen Leben unter der grossen Lehrmeisterin, nehmlich der Welt
oder Gesellschaft, vermittelst der Sprache, so die menschlichen Gemüther
zusammen füget.

5. Es ist aber bey dem Gebrauch der Sprache auch dieses sonderlich
zu betrachten, dass die Worte nicht nur der Gedancken, sondern
auch der Dinge Zeichen seyn, und dass wir Zeichen nöthig haben,
nicht nur unsere Meynung andern anzudeuten, sondern auch unsern
Gedancken selbst zu helffen. Denn gleichwie man in grossen Handels-Städten,
auch im Spiel und sonsten nicht allezeit Geld zahlet, sondern
sich an dessen Statt der Zeddel oder Marcken biss zur letzten Abrechnung
oder Zahlung bedienet; also thut auch der Verstand mit den
Bildnissen der Dinge, zumahl wenn er viel zu dencken hat, dass er
nehmlich Zeichen dafür brauchet, damit er nicht nöthig habe, die Sache
[329] iedesmahl so offt sie vorkommt, von neuen zu bedencken. Daher wenn
er sie einmahl wohl gefasset, begnügt er sich hernach offt, nicht
nur in äusserlichen Reden, sondern auch in den Gedancken und innerlichen
Selbst-Gespräch das Wort an die Stelle der Sache zu setzen.

6. Und gleichwie ein Rechen-Meister der keine Zahl schreiben
wolte, deren Halt er nicht zugleich bedächte und gleichsam an den
Fingern abzehlete, wie man die Uhr zehlet, nimmer mit der Rechnung
fertig werden würde: Also wenn man im Reden und auch selbst
im Gedencken kein Wort sprechen wolte, ohne sich ein eigentliches
Bildniss von dessen Bedeutung zu machen, würde man überaus langsam
sprechen oder vielmehr verstummen müssen, auch den Lauff der
Gedancken nothwendig hemmen und also im Reden und Dencken nicht
weit kommen.

7. Daher braucht man offt die Wort als Zifern oder als Rechen-Pfennige
an statt der Bildnisse und Sachen, biss man Stuffen weise
zum Facit schreitet und beym Vernunfft-Schluss zur Sache selbst gelanget.
Woraus erscheinet wie ein Grosses daran gelegen, dass die
Worte als Vorbilde und gleichsam als Wechsel-Zeddel des Verstandes
wohl gefasset, wohl unterschieden, zulänglich, häuffig, leichtfliessend
und angenehm seyn.

8. Es haben die Wiss-Künstler (wie man die so mit der Mathematik
beschäfftiget, nach der Holländer Beyspiel gar füglich nennen
kan) eine Erfindung der Zeichen-Kunst, davon die so genandte Algebra
nur ein Theil: Damit findet man heute zu Tage Dinge aus, so die
Alten nicht erreichen können, und dennoch bestehet die gantze Kunst
in nichts, als im Gebrauch wol angebrachter Zeichen. Die Alten
haben mit der Cabbala viel Wesens gemacht und Geheimnisse in
den Worten gesuchet. Und die würden sie in der That in einer wohlgefasseten
Sprache finden: als welche dienet nicht nur vor die Wiss-Kunst,
sondern für alle Wissenschafften, Künste und Geschäffte. Und
hat man demnach die Cabbala oder Zeichen-Kunst nicht nur in denen
Hebräischen Sprach-Geheimnissen, sondern auch bey einer ieden
Sprach nicht zwar in gewissen buchstäblichen Deuteleyen, sondern im
rechten Verstand und Gebrauch der Worte zu suchen. [330]

9. Ich finde, dass die Teutschen ihre Sprache bereits hoch bracht
in allen dem, so mit den fünff Sinnen zu begreiffen, und auch dem
gemeinen Mann fürkommet; absonderlich in leiblichen Dingen, auch
Kunst- und Handwercks-Sachen, weil nemlichen die Gelehrten fast
allein mit dem Latein beschäfftiget gewesen und die Mutter-Sprache
dem gemeinen Lauff überlassen, welche nichts desto weniger auch
von den so genandten Ungelehrten nach Lehre der Natur gar wohl
getrieben worden. Und halt ich dafür, dass keine Sprache in der
Welt sey, die (zum Exempel) von Ertz und Bergwercken reicher und
nachdrücklicher rede als die Teutsche. Dergleichen kan man von
allen andern gemeinen Lebens-Arten und Professionen sagen, als von
Jagt- und Wäid-Werck, von der Schiffahrt und dergleichen. Wie
dann alle die Europäer so auffm grossen Welt-Meer fahren, die Nahmen
der Winde und viel andere Seeworte von den Teutschen, nehmlich
von den Sachsen, Normannen, Osterlingen und Niederländern entlehnet.

10. Es ereignet sich aber einiger Abgang bey unserer Sprache in
denen Dingen, so man weder sehen noch fühlen, sondern allein durch
Betrachtung erreichen kan; als bey Ausdrückung der Gemüths-Bewegungen,
auch der Tugenden und Laster und vieler Beschaffenheiten,
so zur Sitten-Lehr und Regierungs-Kunst gehören; dann
ferner bey denen noch mehr abgezogenen und abgefeimten Erkäntnissen,
so die Liebhaber der Weissheit in ihrer Denck-Kunst, und in
der allgemeinen Lehre von den Dingen unter dem Nahmen der Logick
und Metaphysick auff die Bahne bringen. Welches alles dem gemeinen
Teutschen Mann etwas entlegen und nicht so üblich, da hingegen der
Gelehrte und Hoffmann sich des Lateins oder anderer fremden Sprachen
in dergleichen fast allein und in so weit zu viel beflissen; also dass
es denen Teutschen nicht am Vermögen, sondern am Willen gefehlet,
ihre Sprache durchgehends zu erheben. Denn weil alles was der
gemeine Mann treibet, wohl in Teutsch gegeben, so ist kein Zweiffel,
dass dasjenige, so vornehmen und gelehrten Leuten mehr fürkommt,
von diesen, wenn sie gewolt, auch sehr wohl, wo nicht besser in
reinem Teutsch gegeben werden können.

11. Nun wäre zwar dieser Mangel bey denen Logischen und Metaphysischen
Kunst-Wörtern noch in etwas zu verschmertzen, ja ich
habe es zu Zeiten unser ansehnlichen Haupt-Sprache zum Lobe
angezogen, dass sie nichts als rechtschaffene Dinge sage und ungegründete
Grillen nicht einmahl nenne (ignorat inepta). Daher ich bey denen
[331] Italiänern und Frantzosen zu rühmen gepfleget: Wir Teutschen hätten
einen sonderbahren Probierstein der Gedancken, der andern unbekandt;
und wann sie denn begierig gewesen etwas davon zu wissen, so habe
ich ihnen bedeutet, dass es unsere Sprache selbst sey, denn was sich
darinn ohne entlehnte und ungebrauchliche Worte vernehmlich sagen
lasse, das seye würcklich was Rechtschaffenes; aber leere Worte, da
nichts hinter, und gleichsam nur ein leichter Schaum müssiger Gedancken,
nehme die reine Teutsche Sprache nicht an.

12. Alleine, es ist gleichwohl an dem, dass in der Denck-Kunst
und in der Wesen-Lehre auch nicht wenig Gutes enthalten, so sich
durch alle andere Wissenschafften und Lehren ergiesset, als wenn man
daselbst handelt von Begrentzung, Eintheilung, Schluss-Form, Ordnung,
Grund-Regeln, und ihnen entgegen gesetzten falschen Streichen;
von der Dinge Gleichheit und Unterscheid, Vollkommenheit und Mangel,
Ursach und Würckung, Zeit, Orth, und Umständen, und sonderlich
von der grossen Munster-Rolle aller Dinge unter gewissen Haupt-Stücken,
so man Prädicamenten nennet. Unter welchen allen viel
Gutes ist, damit die Teutsche Sprache allmählig anzureichern.

13. Sonderlich aber stecket die gröste natürliche Weissheit in der
Erkäntniss Gottes, der Seelen und Geister aus dem Licht der Natur,
so nicht allein sich hernach in die offenbahrte Gottes-Gelehrtheit mit
einverleibet, sondern auch einen unbeweglichen Grund leget, darauff
die Rechts-Lehre so wohl vom Rechte der Natur als der Völcker insgemein
und insonderheit auch die Regierungs-Kunst samt den Gesetzen
aller Lande zu bauen. Ich finde aber hierinn die Teutsche
Sprache noch etwas mangelhafft und zu verbessern.

14. Zwar ist nicht wenig Gutes auch zu diesem Zweck in denen
geistreichen Schrifften einiger tieffsinnigen Gottes-Gelehrten anzutreffen;
ja selbst diejenigen, die sich etwas zu denen Träumen der Schwermer
geneiget, brauchen gewisse schöne Worte und Reden, die man als
güldene Gefässe der Egypter ihnen abnehmen, von der Beschmitzung
reinigen und zu dem rechten Gebrauch wiedmen könte. Welchergestalt
wir den Griechen und Lateinern hierinn selbst würden Trotz
bieten können.

15. Am allermeisten aber ist unser Mangel, wie gedacht, bey denen
Worten zu spühren, die sich auff das Sitten-wesen, Leidenschafften
des Gemüths, gemeinlichen Wandel, Regierungs-Sachen, und allerhand
[332] bürgerliche Lebens- und Staats-Geschäffte ziehen: Wie man
wohl befindet, wenn man etwas aus andern Sprachen in die unsrige
übersetzen will. Und weilen solche Wort und Reden am meisten
fürfallen, und zum täglichen Umgang wackerer Leute so wohl als
zur Brieff-Wechselung zwischen denselben erfordert werden; so hätte
man fürnehmlich auff deren Ersetzung, oder weil sie schon vorhanden,
aber vergessen und unbekandt, auff deren Wiederbringung zu gedencken,
und wo sich dergleichen nichts ergeben will, einigen guten
Worten der Ausländer das Bürger-Recht zu verstatten.

16. Hat es demnach die Meynung nicht, dass man in der Sprach
zum Puritaner werde und mit einer abergläubischen Furcht ein
fremdes, aber bequemes Wort als eine Todt-Sünde vermeide, dadurch
aber sich selbst entkräffte, und seiner Rede den Nachdruck
nehme; denn solche allzu grosse Scheinreinigkeit ist einer durchbrochenen
Arbeit zu vergleichen, daran der Meister so lange feilet
und bessert, biss er sie endlich gar verschwächet, welches denen
geschicht die an der Perfectie-Kranckheit, wie es die Holländer nennen,
darnieder liegen.

17. Ich erinnere mich gehöret zu haben, dass wie in Franckreich
auch dergleichen Rein-Dünckler auffkommen, welche in der That,
wie Verständige anitzo erkennen, die Sprache nicht wenig ärmer gemacht;
da solle die gelehrte Jungfrau von Gournay, des berühmten
Montagne Pflege-Tochter gesaget haben: was diese Leute schrieben,
wäre eine Suppe von klarem Wasser (un bouillon d'eau claire) nehmlich
ohne Unreinigkeit und ohne Krafft.

18. So hat auch die Italiänische Gesellschaft der Cruska oder des
Beutel-Tuchs, welche die böse Worte von den guten, wie die Kleyen
vom feinen Mehl scheiden wollen, durch allzu eckelhafftes Verfahren
ihres Zwecks nicht wenig verfehlet, und sind daher die itzigen
Glieder gezwungen worden, bey der letzten Ausgebung ihres Wörter-Buchs
viel Worte zur Hinterthür einzulassen, die man vorhero ausgeschlossen;
weil die Gesellschafft anfangs gantz Italien an die Florentinische
Gesetze binden, und den Gelehrten selbst allzu enge Schrancken
setzen wollen. Und habe ich von einem vornehmen Glied derselbigen,
so selbst ein Florentiner, gehöret, dass er in seiner Jugend auch
mit solchem Toscanischen Aberglauben behafftet gewesen, nunmehr
aber sich dessen entschüttet habe.

19. Also ist auch gewiss, dass einige der Herren fruchtbringenden,
und Glieder der ändern Teutschen Gesellschafften hierinn zu weit
[333] gangen, und dadurch andere gegen sich ohne Noth erreget, zumahlen
sie den Stein auf einmahl heben wollen, und alles Krumme schlecht
zu machen gemeinet, welches wie bey ausgewachsenen Gliedern (adultis
vitiis) ohnmöglich.

20. Anitzo scheinet es, dass bei uns übel ärger worden, und hat
der Mischmasch abscheulich überhand genommen, also dass der Prediger
auff der Cantzel, der Sachwalter auff der Cantzley, der Bürgersmann
im schreiben und Reden, mit erbärmlichen Frantzösischen sein
Teutsches verderbet; Mithin es fast das Ansehen gewinnen will, wann
man so fortfähret und nichts dargegen thut, es werde Teutsch in
Teutschland selbst nicht weniger verlohren gehen, als das Engelsächsische
in Engelland.

21. Gleichwohl wäre es ewig Schade und Schande, wenn unsere
Haupt- und Helden-Sprache dergestalt durch unsere Fahrlässigkeit zu
Grunde gehen solte, so fast nichts Gutes schwanen machen dörffte,
weil die Annehmung einer fremden Sprache gemeiniglich den Verlust
der Freyheit und ein fremdes Joch mit sich geführet.

22. Es würde auch die unvermeidliche Verwirrung bei solchem
Ubergang zu einer neuen Sprache hundert und mehr Jahr über dauren,
biss alles auffgerührte sich wieder gesetzet und wie ein Geträncke so
gegohren, endlich auffgeklähret. Da inzwischen von der Ungewissheit
im Reden und Schreiben nothwendig auch die Teutschen Gemüther
nicht wenig Verdunckelung empfinden müssen. Weilen die meisten
doch die Krafft der fremden Worte eine lange Zeit über nicht recht
fassen, also elend schreiben, und übel dencken würden. Wie dann
die Sprachen nicht anders als bey einer einfallenden Barbarey oder
Unordnung, oder fremder Gewalt sich merklich verändern.

23. Gleichwie nun gewissen gewaltsamen Wasserschüssen und Einbrüchen
der Ströhme nicht so wohl durch einen steiffen Damm und
Widerstand, als durch etwas so Anfangs nachgiebt, hernach aber allmählig
sich setzet und fest wird, zu steuren; also wäre es auch
hierin vorzunehmen gewesen. Man hat aber gleich auff einmahl den
Lauff des Ubels hemmen, und alle fremde auch so gar eingebürgerte
Worte ausbannen wollen. Dawider sich die gantze Nation, Gelehrte
und Ungelehrte gestreubet, und das sonsten zum Theil gute Vorhaben
fast zu spott gemacht, dass also auch dasjenige nicht erhalten worden,
so wohl zu erlangen gewesen, wann man etwas gelinder verfahren
wäre.

24. Wie es mit der Teutschen sprach hergangen, kan man aus
den Reichs-Abschieden und andern Teutschen Handlungen sehen. Im
Jahr-hundert der Reformation redete man ziemlich rein Teutsch,
ausser weniger Italiänischer zum Theil auch spanischer Worte, so
vermittelst des Käyserlichen Hofes und einiger fremder Bedienten zuletzt
eingeschlichen, dergleichen auch die Frantzosen bey sich Zeit
der Catharina vom Hauss Medices gespühret, und damahls mit eignen
Schrifften geahndet, wie denn etwas dagegen von Henrico Stephano
geschrieben worden. Solches aber, wann es mässiglich geschicht, ist
weder zu ändern noch eben zu sehr zu tadeln, zu Zeiten auch wohl
zu loben, zumahl wenn neue und gute Sachen zusamt ihren Nahmen
aus der Fremde zu uns kommen.

25. Allein wie der dreyssigjährige Krieg eingerissen und überhand
genommen, da ist Teutschland von fremden und einheimischen Völckern
wie mit einer Wasserfluth überschwemmet worden, und nicht weniger
unsere Sprache als unser Gut in die Rappuse gangen; und siehet man
wie die Reichs-Acta solcher Zeit mit Worten angefüllet seyn, deren
sich freylich unsere Vorfahren geschämet haben würden.

26. Biss dahin nun war Teutschland zwischen den Italiänern, so
Käyserlich, und den Frantzosen, als schwedischer Parthey, gleichsam in
der Wage gestanden. Aber nach dem Münsterschen und Pyrenäischen Frieden
hat so wohl die Frantzösische Macht als Sprache bey uns überhand
genommen. Man hat Franckreich gleichsam zum Muster aller Zierlichkeit
auffgeworffen, und unsere junge Leute, auch wohl junge
Herren selbst, so ihre eigene Heimath nicht gekennet und desswegen
alles bey den Frantzosen bewundert; haben ihr Vaterland nicht nur bey
den Fremden in Verachtung gesetzet, sondern auch selbst verachten
helffen, und einen Eckel der Teutschen Sprach und Sitten aus Ohnerfahrenheit
angenommen, der auch an ihnen bey zuwachsenden Jahren
und Verstand behencken blieben. Und weil die meisten dieser jungen
Leute hernach, wo nicht durch gute Gaben, so bey einigen nicht gefehlet,
doch wegen ihrer Herkunfft und Reichthums oder durch andere
Gelegenheiten zu Ansehen und fürnehmen Aemtern gelanget,
haben solche Frantz-Gesinnete viele Jahre über Teutschland regieret,
und solches fast, wo nicht der Frantzösischen Herrschafft (daran es
zwar auch nicht viel gefehlet) doch der Frantzösischen Mode und
Sprache unterwürffig gemacht: ob sie gleich sonst dem Staat nach
gute Patrioten geblieben, und zuletzt Teutschland vom Frantzösischen
Joch, wiewohl kümmerlich, annoch erretten helffen.

27. Ich will doch gleichwohl gern jedermann recht thun, und
also nicht in Abrede seyn, dass mit diesem Frantz- und Fremd-entzen
auch viel Gutes bey uns eingeführet worden; man hat gleichwie von
den Italiänern die gute Vorsorge gegen ansteckende Kranckheiten,
also von den Frantzosen eine bessere Kriegs-Anstalt erlernet, darin
ein freyherrschender grosser König andern am besten vorgehen können;
man hat mit einiger Munterkeit im Wesen die Teutsche Ernsthafftigkeit
gemässiget, und sonderlich ein und anders in der Lebens-Art
etwas besser zur Zierde und Wohlstand, auch wohl zur Beqvemlichkeit
eingerichtet, und so viel die Sprache selbst betrifft, einige gute
Redens-Arten als fremde Pflantzen in unsere Sprache selbst versetzet.

28. Derowegen wann wir nun etwas mehr als bissher Teutsch gesinnet
werden wolten, und den Ruhm unserer Nation und Sprache
etwas mehr behertzigen möchten, als einige dreyssig Jahr her in
diesem gleichsam Frantzösischen Zeit-Wechsel (periodo) geschehen, so
könten wir das Böse zum Guten kehren, und selbst aus unterm Unglück
Nutzen schöpffen, und so wohl unsern innern Kern des alten
ehrlichen Teutschen wieder herfür suchen, als solchen mit dem neuen
äusserlichen, von den Frantzosen und andern gleichsam erbeuteten
schmuck ausstaffieren.

29. Es finden sich hin und wieder brave Leute, die sonderbahre
Lust und Liebe zeigen, zur Verbesserung und Untersuchung des Teutschen.
So sind auch deren nicht wenig, die sehr gut Teutsch schreiben,
und so wohl rein als nachdrücklich zu geben wissen, was sonst schwer
und in unserer Sprach wenig getrieben. Neulich hat ein gelehrter
wohlmeinender Mann ein Register von Büchern gemacht, darin allerhand
Wissenschafften gar wohl in Teutsch verhandelt worden, ich
finde auch, dass offt in Staats-Schrifften jetziger Teutschen zu Regenspurg
und anderswo etwas besonders und nachdenckliches herfür
blicket, welches da es vom Uberflüssigen Fremden, als von angesprützeten
Flecken, nach Nothdurfft und Thunlichkeit gesaubert würde,
unser Sprache einen herrlichen Glantz geben solte.

30. Weilen aber die Sach von einem grossen Begriff, so scheinet
selbige zu bestreiten etwas grössers als privat-Anstalt nöthig, und
würde demnach dem gantzen Werck nicht besser noch nachdrüklicher
[336] als mittelst einer gewissen Versammlung oder Vereinigung aus Anregung
eines hocherleuchteten vornehmen Haupts, mit gemeinem Rath und
gutem Verständniss zu helffen seyn.

31. Das Haupt-Absehen wäre zwar der Flor des geliebten Vaterlandes
Teutscher Nation, sein besonderer Zweck aber und das Vornehmen (oder
object) dieser Anstalt wäre auf die Teutsche Sprache zu richten, wie
nehmlichen solche zu verbessern, auszuzieren und zu untersuchen.

32. Der Grund und Boden einer Sprache, so zu reden, sind die
Worte, darauff die Redens-Arten gleichsam als Früchte herfür wachsen.
Woher dann folget, dass eine der Haupt-Arbeiten, deren die Teutsche
Haupt-Sprache bedarff, seyn würde eine Musterung und Untersuchung
aller Teutschen Worte, welche, dafern sie vollkommen, nicht nur auf
diejenige gehen soll, so jederman brauchet, sondern auch auf die so
gewissen Lebens-Arten und Künsten eigen. Und nicht nur auf die so
man Hochteutsch nennet, und die im Schreiben anietzo allein herrschen,
sondern auch auff Plat-Teutsch, Märckisch, Ober-Sächsisch,
Fränckisch, Bäyrisch, Oesterreichisch, Schwäbisch, oder was sonst hin
und wieder bey dem Landtmann mehr als in den Städten bräuchlich.
Auch nicht nur was in Teutschland in Ubung, sondern auch was von
Teutscher Herkunfft in Holl- und Engelländischen: worzu auch fürnehmlich
die Worte der Nord-Teutschen, das ist der Dänen, Norwegen,
Schweden und Issländer (bey welchen letztern sonderlich viel
von unser uralten Sprach geblieben,) zu ziehen. Und letzlichen nicht
nur auff das so noch in der Welt geredet wird, sondern auch was
verlegen und abgangen, nehmlichen das Alt-Gothische, Alt-Sächsische
und Alt-Fränckische, wie sichs in uralten Schrifften und Reimen
findet, daran der treffliche Opiz selbst zu arbeiten gut gefunden.
Denn anders zu den wahren Ursprüngen nicht zu gelangen, welche
offt die gemeinen Leute mit ihrer Aussprache zeigen, und sagt man,
es habe den Käyser Maximilian dem I. einsmahls sonderlich wohl
gefallen, als er aus der Aussprache der Schweitzer vernommen, dass
Habsburg nichts anders als Habichtsburg sagen wolle. [337]

33. Nur wäre zwar freylich hierunter ein grosser Unterscheid zu
machen, mithin was durchgehends in Schrifften und Reden wackerer
Leute üblich, von den Kunst- und Land-Worten, auch fremden und
veralteten zu unterscheiden. Ander Manchfeltigkeiten des gebräuchlichen
selbst anietzo zu geschweigen, wären derowegen besondere
Wercke nöthig, nehmlich ein eigen Buch vor durchgehende Worte, ein
anders vor Kunst-Worte, und letzlich eines vor alte und Land-Worte,
und solche Dinge, so zu Untersuchung des Ursprungs und Grundes
dienen, deren erstes man Sprachbrauch, auff Lateinisch Lexicon; das
andere Sprach-Schatz oder cornu copia&e; das dritte Glossarium oder
Sprachquell nennen möchte.

34. Es ist zwar auch an dem, und verstehet sich von selbsten,
dass die wenigsten derer so an Verbesserung der Sprache arbeiten
wolten, sich des Alt-Fränckischen und des ausser Teutschland in
Norden und Westen gleichsam walfahrenden Teutschen Sprach-Restes,
so wenig als der Wayd-Sprüche der Künstler und Handwercker und
der Landworte des gemeinen Mannes, anzunehmen haben würden. Weil
solches vor eine gewisse Art der Gelehrten und Liebhaber allein gehöret.

35. Alleine es gehöret doch gleichwol dieses alles zur vollkommenen
Ausarbeitung der Sprache, und muss man bekennen, dass die Frantzosen
hierinn glücklich, indem sie mit allen drey oberwehnten Wercken,
so ziemlich in ihrer Sprache nunmehr versehen, indem die so genandte
Frantzösische Academie nicht allein ihr lang versprochenes Haupt-Buch
der läuffigen Worte heraus gegeben, sondern auch was vor die
Künste gehöret, vom Furetiere angefangen, und von einem andern
Glied der Academie fortgesetzet worden. Und ob schon darinn aus
dermassen viel Fehler und Mängel, so ist doch auch sehr viel Gutes
darunter enthalten. Diesem ist das herrliche Werck des hochgelehrten
Menage, wie es nun vermehret, beyzufügen, welcher den Ursprung
der Worte untersucht, und also auch das Veraltete, auch zu Zeiten
das Bäurische, herbey gezogen.

36. Es ist bekandt, dass die Italiänische Sprach-Gesellschafft, die
sich von der Crusca genennet, bald Anfangs auf ein Wörter-Buch
bedacht gewesen. Und als der Cardinal Richelieu, die Frantzösische
Academie aufgerichtet, hat er ihr auch sofort ein solches zur
[338] Arbeit aufgegeben. Sie waren aber beyderseits nur auff läuffige Worte
bedacht, und vermeinten die Kunst-Wörter an die Seite zu setzen,
wie auch die Crusca würcklich gethan; ich habe aber in Franckreich
selbst etlichen vornehmen Gliedern meine wenige Meynung gesagt,
dass solches nicht wohl gethan, und zwar den Italiänern als Vorgängern
zu gut zu halten; es werde aber von einer Versammlung so
vieler trefflicher Leute in einem blühenden Königreiche unter einem
so mächtigen König ein mehrers erwartet, inmassen durch Erklärung
der Kunst-Worte die Wissenschafften selbst erläutert und befördert
würden, welches auch einige wol begriffen.

37. Weilen sie aber inzwischen bey der angefangenen Arbeit geblieben,
hat einer unter ihnen Furetiere genannt, sich aus eigener
Lust über die Kunst-Worte zugleich mit gemachet, welches die
Academie übel genommen, und sein Werck verhindert, und da es in
Holland heraus kommen, einem andern aus ihrem Mittel dergleichen
aufgetragen; also dass die Leidenschafften zuwege gebracht, was die
Vernunfft nicht erhalten mögen.

38. Als mir nun auch vor einigen Jahren Nachricht geben worden,
dass die Engländer ebenmässig mit einem grossen Werck umgiengen,
so dem Frantzösischen damahls noch nicht erschienenen Wörter-Buch
nichts weichen solte, habe ich so fort angehalten, dass sie auch auff
Kunst-Worte dencken möchten, mit dem Bedeuten, was massen ich
Nachricht erhalten hätte, dass die Frantzosen sich auch in diesem
Stück eines bessern bedacht, vernehme auch nunmehr, dass die Engländer
würcklich mit dergleichen anietzo begriffen.

39. Ich hoffe auch, dass die Welschen, um andern nicht nachzugeben,
endlich nicht weniger diesen ihren Abgang ersetzen dürfften,
zumahlen ich selbst bey guten Freunden deswegen Anregung zu thun,
die Freyheit genommen. Und wenn man dergestalt die Technica oder
Kunst-Worte vieler Nationen beysammen hätte, ist kein Zweiffel, dass
durch deren Gegeneinander-Haltung den Künsten selbst ein grosses Licht
angezündet werden dürffte, weiln in einem Land diese, in dem andern
die andern Künste besser getrieben werden, und jede Kunst an ihrem Ort
und Sitz mehr mit besondern Nahmen und Redens-Arten versehen.

40. Und weiln wie oberwehnet, die Teutschen sich über alle andere
Nationen in den Würcklichkeiten der Natur und Kunst so vortreflich
erwiesen, so würde ein Teutsches Werck der Kunst-Worte
einen rechten Schatz guter Nachrichtungen in sich begreiffen, und
[339] sinnreichen Personen, denen es bissher an solcher Kunde gemangelt,
offt Gelegenheit zu schönen Gedancken und Erfindungen geben. Denn
weil wie oberwehnet, die Worte den Sachen antworten, kan es nicht
fehlen, es muss die Erläuterung ungemeiner Worte auch die Erkäntniss
unbekandter Sachen mit sich bringen.

41. Was auch ein wohl ausgearbeitetes Glossarium Etymologicum
oder Sprach-Quell vor schöne Dinge in sich halten würde, wo nicht
zum menschlichen Gebrauch, doch zur Zierde und Ruhm unserer
Nation und Erklärung des Alterthums und der Historien, ist nicht zu
sagen; Wenn nemlich Leute wie Schottel, Prasch oder Morhoff bey
uns, oder wie Menage bey den Frantzosen, und eben dieser mit dem
Ferrari bey den Welschen, Spelmann in England, Worm oder Verhel
bei den Nordländern sich darüber machten.

42. Es ist handgreifflich und gestanden, dass die Frantzosen, Welschen
und Spanier (der Engländer, so halb Teutsch, zu geschweigen) sehr
viel Worte von den Teutschen haben, und also den Ursprung ihrer
Sprachen guten Theils bey uns suchen müssen. Giebt also die Untersuchung
der Teutschen Sprach nicht nur ein Licht vor uns, sondern
auch vor gantz Europa, welches unserer Sprache zu nicht geringem
Lob gereichet.

43. Ja was noch mehr, so findet es sich, dass die alten Gallier,
Celten, und auch Scythen mit den Teutschen eine grosse Gemeinschafft
gehabt, und weiln Welschland seine ältesten Einwohner nicht zur
See, sondern zu Lande, nemlich von den Teutschen und Celtischen
Völckern über die Alpen herbekommen, so folget dass die Lateinische
Sprache denen uhralten Teutschen ein Grosses schuldig, wie sichs
auch in der That befindet.

44. Und ob zwar die Lateiner das Ubrige von den Griechischen
Colonien bekommen haben mögen, so haben doch sehr gelehrte Leute
auch ausser Teutschland wohl erwogen, dass es vorher mit Griechenland
eben wie mit Italien zugangen; mithin die ersten Bewohner
desselbigen von der Donau und angräntzenden Landen hergekommen,
mit denen sich hernach Colonien über Meer aus Klein-Asien, AEgypten
und Phönicien vermischet, und weil die Teutschen vor Alters unter
[340] dem Nahmen der Gothen, oder auch nach etlicher Meinung der Geten,
und wenigstens der Bastarnen, gegen dem Ausfluss der Donau und
ferner am schwartzen Meer gewohnet, und zu gewisser Zeit die
iezt genannte kleine Tartarey inngehabt, und sich fast biss an die
Wolga erstrecket, so ist kein Wunder, dass Teutsche Worte nicht
nur im Griechischen so häuffig erscheinen, sondern biss in die Persianische
Sprache gedrungen, wie von vielen Gelehrten bemercket
worden. Wiewohl ich noch nicht finden kan, dass so viel Teutsches
in Persien sey, als nach Elichmanns Meynung vorgegeben wird.

45. Alles auch was die Schweden, Norwegen und Isländer von
ihren Gothen und Runen rühmen, ist unser, und arbeiten sie mit
aller ihrer zwar löblichen Mühe vor uns; massen sie ja vor nichts
anders als Nord-Teutsche gehalten werden können, [könnnen,_ed.] auch von dem
wohlberichteten Tacito und allen alten und mittel-Autoren unter die
Teutsche gezehlet worden; mit ihrer Sprach auch selbst nichts anders
zu Tage legen, sie mögen sich krümmen und wenden wie sie wollen.
Dass auch die Dähnen zu Zeiten der Römer bey dem abnehmenden
Reich unter dem Nahmen der Sachsen begriffen gewesen, kan ich
aus vielen Umständen schliessen.

46. Stecket also im Teutschen Alterthum und sonderlich in der
Teutschen uhralten Sprache, so über das Alter aller Griechischen und
Lateinischen Bücher hinauff steiget, der Ursprung der Europäischen
Völcker und Sprachen, auch zum theil des uhralten Gottesdienstes, der
Sitten, Rechte und Adels, auch offt der alten Nahmen der Sachen,
Oerter und Leute, wie solches von andern dargethan, und theils mit
mehrern auszuführen.

47. Welches umb so viel mehr erinnern müssen, damit desto deutlicher
erscheine, wie ein grosses an einem Teutschen Glossario Ethymologico
gelegen; immassen [!Ed.] mir bewust und aus Briefen an mich
selbst kund worden, dass hochgelehrte Leute anderer Nationen sehr
darnach wündschen und wohl erkennen, was ihnen selbst zu Erleuchtung
ihrer Alterthümer daran gelegen; und dass nicht wohl andere als
der Teutschen Sprache im Grund Erfahrne, also weder Engländer noch
Frantzosen, wie gelehrt sie auch seyn, damit zurechte kommen mögen. [341]

48. Bey uns Teutschen aber solte die Begierde darnach so viel
grösser seyn, weil uns nicht allein am meisten damit geholffen wird,
sondern auch ein solches zu unserm Ruhm gereichet; ie mehr daraus
erscheinet, dass der Ursprung und Brunquell des Europäischen Wesens
grossen Theils bey uns zu suchen. Es finden sich aber auch täglich
bey uns selbst in der Sprache allerhand Erläuterungs würdige Dinge
und Anmerckungen, so Gelegenheit zu sonderlichen Nachdenken geben.

49. Zum Exempel, wenn man fraget, was Welt im Teutschen
sagen wolle, so muss man betrachten, dass die Vorfahren gesaget Werelt,
wie sichs noch in alten Büchern und Liedern findet, daraus erscheinet,
dass es nichts anders sey als Umkreiss der Erden oder Orbis terrarum.
Denn Wirren, Werre, (Wire bey den Engländern, Gyrus bey den
Griechen,) bedeutet was in die Runde herum sich ziehet. Und scheinet
die Wurtzel stecke im teutschen Buchstaben W, der eine Bewegung mit sich
bringet, so ab- und zugehet, auch wohl umgehet, als bey wehen, Wind,
Waage, Wogen, Wellen, Wheel, oder Rad. Daher auch nicht nur Wirbel,
Gewerrel, oder Querl auch wohl Quern, (so im alt Teutsch eine Mühle
bedeutet, wie an Quernhameln abzunehmen), sondern auch bewegen, winden,
wenden, das Frantzösische vis (als: vis sans fin) auch Welle, Waltze,
das Lateinische volvo und verto, vortex, ja der Name der Walen, [Walen._ed.]
Wallonen oder Herumwallenden (das ist der Gallier oder Frembden),
Wild (das ist frembd, davon wildfrembd, Wildfangs-Recht etc.), von
diesem aber Wald und anderes mehr entstanden. Doch will man mit
denen nicht streiten, die das Wort Wereld, von währen oder dauren
herführen, und darunter seculum (vor alters: ew} verstehen. Weil diese
Dinge ohne gnugsame Untersuchung, zu keiner völligen Gewissheit zu
bringen, und die alten Teutschen Bücher den Ausschlag geben müssen.

50. Dergleichen Exempel sind nicht wenig vorhanden, so nicht
allein der Dinge Ursprung entdecken, sondern auch zu erkennen geben,
dass die Wort nicht eben so willkührlich oder von ohngefehr herfürkommen,
als einige vermeynen; wie dann nichts ohngefehr in der
Welt als nach unserer Unwissenheit, wenn uns die Ursachen verborgen.
Und weiln die Teutsche Sprache vor vielen andern dem Ursprung sich
zu nähern scheinet, so sind auch die Grund-Wurtzeln in derselben
[342] desto besser zu erkennen, davon auch bereits der tieffsinnige Claubergius
seine eigene Gedancken gehabt, und davon etwas in einem kleinen
Büchlein angezeiget.

51. Ich habe auch bereits vor vielen Jahren einen sehr gelehrten
Mann dahin vermocht, dass er auff die Arbeit eines Sächsischen
Glossarii die Gedancken gerichtet, und etwas davon hinterlassen, und
sind mir noch einige andere treffliche Leute bekandt, so mit dergleichen
umgehen, theils auch von mir dazu bracht worden, also dass wenn sie
und andere durch kräfftige Hülffe und nahe Zusammensetzung auffgemuntert
würden, etwas schönes herfürkommen dürffte.

52. So viel aber einen Teutschen Wörter-Schatz betreffen würde,
gehöreten Leute dazu, so in der Natur der Dinge, sonderlich der
Kräuter und Thiere, Feuer-Kunst (oder Chymi) Wiss-Kunst oder
Mathematic und daran hangenden Bau-Künsten und andern Kunst-Wercken,
Weberey und so genannten Manufacturen, Handel, Schiffarth,
Berg- und Saltzwercks-Sachen, und was dergleichen mehr, erfahren.
Welche Personen dann, weil einer allem nicht gewachsen, die deutliche
Nachrichtungen durch gewisses Verständniss unter einander zusammen
bringen könten, und zumahl in grossen Städten die beste
Gelegenheit dazu finden würden. So auch wohl vor sich gehen dürffte,
wenn einige Beförderung von hoher Hand nicht ermangeln solte.

53. Man hat bereits absonderliche Teutsche Werke verschiedener
Professionen, so hierinn zu statten kämen und zu ergäntzen wären;
so würde auch was von den Frantzosen und Engländern geschehen,
einige Hülffe und Anlass zur Nachfrage geben; das meiste aber müste
von den Leuten jeder Profession selbst erfraget werden, wie mich dann
erinnere, dass zu Zeiten berühmte Prediger in die Kram-Winckel oder
Läden und Werckstätte gangen, um die rechten Nahmen und Bedeutungen
zu erfahren, und so wohl richtig als verständig von allen
Dingen zu reden.

54. Es ist auch bekandt, dass viel Worte in gemeinen Gebrauch
kommen seyn, die von den Künsten entlehnet, oder doch eine gewisse
Bedeutung von ihnen bekommen, deren Ursach diejenigen nicht
verstehen, so von solcher Kunst oder Profession nichts wissen, als zum
[343] Exempel: Man sagt Ort und Ende, man sagt erörtern, die Ursache
wissen wenig, allein man verstehet es aus der Sprache der Berg-Leute,
bey denen ist Ort so viel als Ende, so weit nemlich der Stollen, der
Schacht oder die Strecke getrieben, man sagt zum Exempel: Dieser
Bergmann arbeitet vor dem Ort, das ist, wo es auffhöret, daher erörtern
nichts anders ist, als endigen (definire).

55. Ich habe bey den Frantzosen etwas löbliches darin gefunden,
dass auch vornehme Herren sich befleissigen von allerhand Sachen mit
den eigenen Kunst-Wörtern zu reden, umb zu zeigen, dass sie nicht
gar der sachen unwissend seyn; und hat man mir erzehlet, dass das
Exempel des vorigen Hertzogs von Orleans, Ludwigs des XIII Bruders,
so darin Beliebung gehabt, nicht wenig dazu geholffen. Ein gleichmässiges,
da dergleichen Arbeit in unserer Sprache herfur kommen
solte, würde bey den Teutschen mehr denn bissher erfolgen, und zu
einer allgemeinen Wissens-Lust (oder Curiosität) und zu fernerer
Oeffnung der Gemüther in allen Dingen nicht wenig dienen.

56. Allein ich komme nunmehro zu dem, so bey der Sprache in
dero durchgehenden Gebrauch erfordert wird, darauff die Herren
Frucht-bringenden, die Crusca, und die Frantzösische Academie zuerst
allein gesehen, und auch anfangs am meisten zu sehen ist; in so weit
keine Frage ist von dem Ursprung und Alterthum oder von verborgenen
Nachrichtungen, Künsten und Wissenschafften, sondern allein
vom gemeinen Umgang und gewöhnlichen Schrifften, allwo der Teutschen
Sprache Reichthum, Reinigkeit und Glantz sich zeigen soll, welche
drey gute Beschaffenheiten bey einer Sprache verlanget werden.

57. Reichthum ist das erste und nöthigste bey einer Sprache und
bestehet darin, dass kein Mangel, sondern vielmehr ein Uberfluss erscheine
an bequemen und nachdrücklichen Worten, so zu allen Vorfälligkeiten
dienlich, damit man alles kräfftig und eigentlich vorstellen
und gleichsam mit lebenden Farben abmahlen könne.

58. Man sagt von den Sinesern, dass sie reich im Schreiben vermittelst
ihrer vielfältigen Zeichen, hingegen arm im Reden und an
Worten, weiln (wie bekandt) die Schrifft bey ihnen der Sprache nicht
antwortet; und scheinet, dass der Uberfluss der Zeichen, darauff sie
sich geleget, verursachet, dass die Sprache desto weniger angebauet
[344] worden, also dass wegen geringer Anzahl und Zweydeutigkeit der
Worte sie bissweilen, um sich zu erklären, und den Zweiffel zu benehmen,
mitten im Reden gezwungen werden sollen, die Zeichen mit
den Fingern in der Lufft zu mahlen.

59. Es kan zwar endlich eine jede Sprache, sie sey so arm als sie
wolle, alles geben; ob man schon saget, es wären barbarische Völcker,
denen man nicht bedeuten kan, was GOtt sagen wolle. Allein, ob
schon alles endlich durch Umschweiffe und Beschreibung bedeutet
werden kan, so verliehret sich doch bey solcher Weitschweifigkeit alle
Lust, aller Nachdruck in dem der redet, und in dem der höret; dieweil
das Gemüthe zu lange auffgehalten wird und es heraus kommt,
als wann man einen, der viel schöne Palläste besehen will, bey einem
jeden Zimmer lange auffhalten und durch alle Winckel herumschleppen
wolte; oder wenn man rechnen wolte wie die Völcker, die (nach der
Weigelianischen Tetracty) nicht über drey zehlen könten, und keine
Wort oder Bezeichnung hätten vor 4. 5. 6. 7. 8. 9. &c. wodurch
die Rechnung nothwendig sehr langsam und beschwerlich fallen müste.

60. Der rechte Probier-Stein des Uberflusses oder Mangels einer
Sprache findet sich beym Ubersetzen guter Bücher aus anderen
Sprachen. Dann da zeiget sich, was fehlet, oder was vorhanden,
daher haben die Herren Fruchtbringenden und ihre Nachfolgere wohl
gethan, dass sie einige Übersetzungen vorgenommen, wiewohl nicht
allemahl das Beste ausgewehlet worden.

61. Nun glaub ich zwar nicht, dass eine Sprache in der Welt
sey, die ander Sprachen Worte jedesmahl mit gleichem Nachdruck
und auch mit einem Worte geben könne. Cicero hat denen Griechen
vorgeworffen, sie hätten kein Wort, das dem Lateinischen ineptus
antworte: Er selbst aber bekennet zum öfftern der Lateiner Armuth.
Und ich habe den Frantzosen zu Zeiten gezeiget, dass wir auch keinen
Mangel an solchen Worten haben, die ohne Umschweiff von ihnen
nicht übersezt werden können. Und können sie nicht einmahl heut
zu Tag mit einem Worte sagen, was wir Reiten oder die Lateiner
Equitare nennen. Und fehlet es weit, dass ihre Ubersetzungen des
[345] Tacitus oder anderer vortrefflicher Lateinischer Schrifften, die bündige
Krafft des Vorbildes erreichen solten.

62. Inzwischen ist gleichwohl diejenige Sprache die reichste und
bequemste, welche am besten mit wörtlicher Ubersetzung zurechte
kommen kan, und dem Original Fuss vor Fuss zu folgen vermag; und
weiln, wie ob erwehnet, bey der Teutschen Sprache kein geringer
Abgang hierinn zu spüren, zumahl in gewissen Materien, absonderlich
da der Wille und willkührliches Thun der Menschen einläufft, so hätte
man Fleiss daran zu strecken, dass man diessfals andern zu weichen
nicht mehr nöthig haben möge.

63. Solches könte geschehen durch Auffsuchung guter Wörter, die
schon vorhanden aber ietzo fast verlassen, mithin zu rechter Zeit nicht
beyfallen, wie auch ferner durch Wiederbringung alter verlegener
Worte, so von besonderer Güte; auch durch Einbürgerung (oder
Naturalisirung) frembder Benennungen, wo sie solches sonderlich verdienen,
und letztens (wo kein ander Mittel) durch wolbedächtliche Erfindung
oder Zusammensetzung neuer Worte, so vermittelst des Urtheils
und Ansehens wackerer Leute in Schwang gebracht werden müsten.

64. Es sind nemlich viel gute Worte in den Teutschen Schrifften
so wohl der Frucht-bringenden als anderer, die mit Nutzen zu gebrauchen,
aber darauff man im Noth-Fall sich nicht besinnet. Ich
erinnere mich ehmahlen bei einigen gemercket zu haben, dass sie das
Frantzösische Tendre, wann es vom Gemüth verstanden wird, durch
innig oder hertzinnig bey gewissen Gelegenheiten nicht übel gegeben.
Die alten Teutschen haben Innigkeit vor Andacht gebrauchet. Nun will
ich zwar nicht sagen, dass dieses Teutsche Wort bey allen Gelegenheiten
für das Frantzösische treten könne; nichts desto minder ist es doch werth,
angemerckt zu werden, damit es sich bey guter Gelegenheit angäbe.

65. Solches zu erreichen wäre gewissen gelehrten Leuten auffzutragen,
dass sie eine Besichtigung, Munsterung und Ausschuss anstellen,
und dissfalls in guten Teutschen schrifften sich ersehen
möchten, als sonderlich in des Opitzens Wercken, welche nicht nur
in Versen herauskommen, sondern auch in freyer Rede, dergleichen
seine Hercynia, seine Ubersetzung der Argenis und Arcadia. Es wäre
auch hauptsächlich zu gebrauchen, eines durchlauchtigsten Autoren
[346] Aramena und Octavia, die Ubersetzungen des Herrn von Stubenberg
und mehr dergleichen, wie dann auch Zesens Ibrahim Bassa, Sophonisbe,
und andere seine Schrifften mit Nutzen dazu gezogen werden könten,
obschon dieser Sinn-reiche Mann etwas zu weit gangen. Man kan
auch in weit schlechtern Büchern viel dienliches finden; also zwar
von den Besten anfangen, hernach aber auch andere von geringern
Schlag zu Hülffe nehmen könte.

66. Ferner wäre auf die Wiederbringung vergessner und verlegener,
aber an sich selbst guter Worte und Redens-Arten zu gedencken, zu
welchem Ende die Schrifften des vorigen Seculi, die Wercke Lutheri
und anderer Theologen, die alten Reichs-Handlungen, die Landes-Ordnungen
und Willkühre der Städte, die alten Notariat-Bücher, und
allerhand geistliche und weltliche Schrifften, so gar des Reinecke Voss,
des Froschmäuselers, des Teutschen Rabelais, des übersetzten Amadis,
des Oesterreichischen Theuerdancks, des Bäyerschen Aventins, des
Schweizerischen Stumpfs und Paracelsi, des Nürnbergischen Hans
Sachsen
und ander Landes-Leute nützlich zu gebrauchen.

67. Und erinnere ich mich bey Gelegenheit der Schweitzer, ehmals
eine gute alte Teutsche Redens-Art dieses Volcks, bemercket zu
haben, die unsern besten Sprachs-Verbesserern nicht leicht beyfallen
solte. Ich frage zum Exempel, wie man Foedus defensivum & offensivum
kurtz und gut in Teutsch geben solle; zweiffle nicht, dass unsere
heutige wackere Verfasser, guter Teutscher Wercke keinen Mangel an
richtiger und netter Ubersetzung dieser zum Völcker-Recht gehörigen
Worte spühren lassen würden; ich zweiffle aber, ob einige der neuen
Ubersetzungen angenehmer und nachdrücklicher fallen werde als die
Schweitzerische: Schutz- und Trotz-Verbündniss.

68. Was die Einbürgerung betrifft, ist solche bey guter Gelegenheit
nicht auszuschlagen, und den Sprachen so nützlich als den
Völckern. Rom ist durch Auffnehmung der Fremden gross und
mächtig worden, Holland ist durch Zulauff der Leute, wie durch den
Zufluss seiner Ströhme auffgeschwollen; die Englische Sprache hat alles
angenommen, und wann jedermann das Seinige abfodern wolte, würde
es den Engländern gehen, wie der Esopischen Krähe, da andere Vögel ihre
[347] Federn wieder gehohlet. Wir Teutschen haben es weniger vonnöthen als
andere, müssen uns aber dieses nützlichen Rechts nicht gäntzlich begeben.

69. Es sind aber in der Einbürgerung gewisse Stuffen zu beobachten,
dann gleichwie diejenigen Menschen leichter auffzunehmen, deren
Glauben und Sitten den unsern näher kommen, also hätte man ehe in
Zulassung derjenigen fremden Worte zu gehelen, so aus den Sprachen
Teutschen Ursprungs, und sonderlich aus den Holländischen übernommen
werden könten, als deren so aus der Lateinischen Sprache
und ihren Töchtern hergehohlet.

70. Und ob zwar das Englische und Nordische etwas mehr von
uns entfernet, als das Holländische, und mehr zur Untersuchung des
Ursprungs, als zur Anreicherung der Sprache dienen möchte, so wäre
doch gleichwol sich auch deren zu diesem Zweck in ein und andern
nützlich zu bedienen, ohnverboten.

71. Was aber das Holländische betrifft, würden unsere Teutschen
zumal guten Fug und Macht haben, durch gewisse Abgeordnete das
Recht der Mutterstadt von dieser Teutschen Pflantze (oder Colonie)
einzusammlen, und zu dem Ende durch kundige Leute die Holländische
Sprache und Schrifften untersuchen, und gleichsam wardiren zu lassen,
damit man sehe, was davon zu fodern und was bequem dem Hochteutschen
einverleibet zu werden. Dergleichen auch von den Platt-Teutschen
und andern Mund-Arten zu verstehen. Wie dann zum Exempel,
der Platt-Teutsche Schlump, da man sagt, es ist nur ein Schlumpo der
was die Frantzosen Nazard nennen, offt nicht übel anzubringen.

72. Es ist sonst bekant, dass die Holländer ihre Sprache sehr
ausgebutzet, dass Opitz sich den Heinss, Catz und Groot, und andere
vortreffliche Holländer wol zu Nutz gemacht, dass Vondel und andere
es noch höher gebracht und dass anietzo viel unter ihnen mit grosser
Sorgfalt sich der Reinigkeit befleissen, und doch ihre Meynung
ziemlich auszudrücken wissen, also uns mit ihren Schrifften wol an
Hand gehen werden.

73. Die Lateinische, Frantzösische, Italiänische und Spanische Worte
belangend (dann vor den Griechischen haben wir uns nicht zu fürchten)
so gehöret die Frage, ob und wie weit deren Einbürgerung thunlich
und rathsam, zu dem Punct von Reinigkeit der Sprache, dann darin
suchet man eben zum Theil die Reinigkeit des Teutschen, dass es
von dem überflüssigen fremden Mischmasch gesäubert werde. [348]

74. Erdenckung neuer Worte oder eines neuen Gebrauchs alter Worte,
wäre das letzte Mittel zu Bereicherung der Sprache. Es bestehen nun die
neuen Worte gemeiniglich in einer Gleichheit mit den alten, welche man
Analogie, das ist Ebenmass nennet, und so wol in der Zusammensetzung
als Abführung (Compositione & Derivatione) in Obacht zu nehmen hat.

75. Jemehr nun die Gleichheit beobachtet wird, und je weniger man sich
von dem so bereits in Ubung, entfernet; je mehr auch der Wolklang, und
eine gewisse Leichtigkeit der Aussprache dabey statt findet, jemehr ist das
Schmieden neuer Wörter nicht nur zu entschuldigen, sondern auch zu loben.

76. Weil aber viel gute und wolgemachte Worte auf die Erde
fallen und verlohren gehen, indem sie niemand bemercket oder beybehält,
also dass es bissher auf das blinde Glück dissfalls ankommen,
so würde man auch darinn Nutzen schaffen, wenn durch grundgelehrter
Kenner Urtheil, Ansehen und Beyspiel dergleichen wol erwogen,
nach Gutbefinden erhalten und in Ubung bracht würde.

77. Ehe ich den Punct des Reichthums der Sprache beschliesse,
so will erwehnen, dass die Worte oder die Benennung aller Dinge
und Verrichtungen auf zweyerley Weise in ein Register zu bringen:
nach dem Alphabet und nach der Natur. Die erste Weise ist der
Lexicorum oder Deutungs-Bücher, und am meisten gebräuchlich. Die
andere Weise ist der Nomenclatoren oder Nahm-Bücher, und geht
nach den Sorten der Dinge. Ist von Stephano Doleto, Hadriano
Junio, Nicodemo Frischlino, Johanne Jonstono, und andern nicht
übel getrieben worden: Und zeiget sonderlich der Sprache Reichthum
und Armuth, oder die sogenannte Copiam Verborum; daher
auch ein Italiäner (Alunno) sein dergestalt eingerichtetes Buch,
Ricchezza della Lingua volgare benennet. Die Deutungs-Bücher dienen
eigentlich, wenn man wissen will, was ein vorgegebenes Wort bedeute;
und die Nahm-Bücher, wie eine vorgegebene Sache zu nennen. Jene
gehen von dem Worte zur Sache, diese von der Sache zum Wort.

78. Und solte ich dafür halten, es würde zwar das Glossarium
Etymologicum, oder der Sprach-Qvell nach den Buchstaben zu ordnen
[349] seyn, es könte aber auch solches auf zweyerley Weise geschehen:
nach der ietzigen Aussprache, und nach dem Ursprung, wenn man
nemlich nach seinen Grund-Wurtzeln gehen, und ieder Wurtzel, oder
iedem Stamm seine Sprossen anfügen wolte; welches auf gewisse masse
sehr dienlich, auch eine Ordnung mit der andern zu vereinigen nützlich
wäre. Der Sprach-Schatz aber, darin alle Kunst-Worte begriffen,
wäre besser und nützlicher nach den Arten der Dinge, als nach den
Buchstaben der Worte abzufassen, weilen alda die verwandten Dinge
einander erklären helffen, obschon letztens ein Alphabetisches Register
beyzufügen. Aber die Wort und Reden des durchgehenden Gebrauchs
könten nützlich auf beyde Weise vermittelst eines Deutungs-Buchs
(Lexici) nach dem Alphabet, und vermittelst eines Nahm-Buchs nach
den Sorten der Dinge dargestellet werden; beydes könte den Nahmen
eines Dictionarii oder Wörter-Buchs verdienen, und beydes würde seinen
besondern, die letzte Art aber meines Erachtens den grösten Nutzen haben.

79. Es sind auch gewisse Neben-Dictionaria so zu sagen, so die
Lateiner und Griechen brauchen und bey den Teutschen dermahleins
nicht allerdings ausser Augen zu setzen, als Particularum, Epithetorum,
Phrasium &c. der Prosodien und Reim-Register zu geschweigen;
welches alles aber, wann das Haupt-Werck gehoben, sich mit der Zeit
von selbsten finden wird. Biss hieher vom Reichthum der Sprache.

80. Die Reinigkeit der Sprache, Rede und Schrifft bestehet darin,
dass so wol die Worte und Red-Arten gut Teutsch lauten, als dass
die Grammatic oder Sprach-Kunst gebührend beobachtet, mithin auch
der Teutsche Priscianus verschonet werde.

81. Was die Wort und Weisen zu reden betrifft, so muss man
sich hüten vor Unanständigen, Ohnvernehmlichen und Fremden oder
Unteutschen.

82. Unanständige Worte sind die niederträchtige, offt etwas Gröbliches
andeutende Worte, die der Pöbel braucht, plebeja & rustica
verba, wo sie nicht eine sonderliche Artigkeit haben und gar wol zu
passe kommen, oder zum schertz mit guter Manier anbracht werden.
Es giebt auch gewisse niedrige Worte, so man im Schreiben so wol,
als ernsthafften förmlichen Reden gern vermeidet, dergleichen zu
bezeichnen wären, damit man dessfalls sich besser in acht nehmen könte.
[350] Daher das Wort so aus dem Griechischen <gr>Kóre</gr> komt, billig
ausgesetzet werden solte. Es sind auch einige von unangenehmen Klange,
oder lauten lächerlich, oder geben sonst einen Ubelstand und widrige
Deutung, dafür man sich billig hütet.

83. Es sind auch unvernehmliche Worte und unter andern die
veraltet, verba casca, osca, obsoleta, dergleichen zwar etliche noch
Lutherus in seiner Bibel behalten, so aber nach ihme vollends verblichen,
als Schächer, das ist Mörder, Raunen so mit den Runen der Nordischen
Völcker verwandt, Kogel, das ist eine gewisse Bedeckung des Haupts.

84. Dahin gehören die unzeitig angebrachte Verba Provincialia,
oder Land-Worte gewisser Provintzen Teutschlandes, als das Schmecken
an statt Riechen, wie es bey einigen Teutschen gebraucht wird, von
denen man desswegen sagt, sie haben nur vier Sinne; item der
Kretschmar in Schlesien, der so viel als Krug in Niedersachsen; von
welcher Art auch die Meissner selbst nicht wenig haben, und sich
deren zumal im Schreiben enthalten müssen, als wann sie sagen, der
Zeiger schlägt, oder wann sie den Rock einen Peltz nennen, welches
ihm nicht zukommt, als wann er gefüttert; und was dergleichen mehr.

85. Was aber die fremde oder unteutsche Worte anbetrifft, so entstehet
darinn der gröste Zweiffel, ob nemlichen und wie weit sie zu
dulden, nachdem sie vielen annoch unverständlich. Nun will ich
solches der künfftigen Teutsch-Gesinneten Verfassung zu entscheiden
zwar überlassen, doch anietzo ein und anders, obschon vorgängig,
doch unvorgreifflich zu erwegen geben.

86. Und solte ich demnach zuforderst dafür halten, dass man des
Fremden ehe zu wenig als zu viel haben solle, es wäre dann, dass
man mit Fleiss etwas machen wolte auf den Schlag des Liedes:

Da die Engel singen Nova Cantica,
Und die Schellen klingen in regis Curia
.

87. Hernach vermeyne, dass ein Unterscheid zu machen unter den
Arten der Zuhörer oder Leser: dann was für männiglich geredet oder
geschrieben wird, als zum Exempel, was man prediget, soll billig von
jedermann verstanden werden; was aber für Gelehrte, für den Richter,
für Staats-Leute geschrieben, da kan man sich mehr Freyheit nehmen.

88. Es kan zwar auch zu Zeiten ein Lateinisches oder aus dem
Lateinischen gezogenes Wort, dabey ein sonderlicher Nachdruck, von
einem Prediger gebrauchet werden; ein Lateinisches sage ich, dann
das Frantzösische schicket sich meines Ermessens gar nicht auf unsere
[351] Cantzel, es ist aber alsdann rathsam, dass die Erklärung alsbald dabey
sey, damit beyder Art Zuhörer ein Genügen geschehe.

89. Sonst ist von alten Zeiten her bräuchlich gewesen, in Rechtshandlungen,
Libellen und Producten, Lateinische Worte zu brauchen,
es thun es auch die Fremden so wohl als die Teutschen, obschon einige
Gerichte, Facultäten und Schöppenstühle, zumahl in Abfassung der Urtheile
und Sprüche von geraumer Zeit her, die nicht unlöbliche Gewohnheit
angenommen, viel in Teutsch zu geben so anderswo nicht anders als
Lateinisch genennet worden: als Krieg rechtens befestigen, litem contestari;
Gerichts-Zwang, Instantia; End-Urtheil, Definitiva und dergleichen viel.

90. In Staats-Schrifften, so die Angelegenheiten und Rechte hoher
Häupter und Potentzen betreffen, ist es nun dahin gediehen, dass
man nicht nur des Lateinischen, sondern auch des Frantzösischen und
Welschen sich schwerlich allerdings entbrechen kan, dabey doch eine
ungezwungene und ungesuchte Mässigung wohl anständig seyn dürffte;
wenigstens solte man sich befleissen, das Frantzösische nicht an des
Teutschen Stelle zu setzen, wann das Teutsche eben so gut, wo nicht
besser; welches ich gleichwohl gar offt bemercket habe.

91. So könte man sich auch zum öfftern dieser Vermittelung mit
Nutzen bedienen, dass man das Teutsche Wort mit dem fremden versetzte,
und eines zu des andern Erklärung brauchte, da denn auch
eines des andern Abgang so wol als Verständligkeit, als an Nachdruck,
ersetzen könte.

92. Und dieser Vortheil würde auch sonderlich dienen, gute und
wohlgemachte, aber noch nicht so gar gemeine noch durchgehends
angenommene Teutsche Worte in Schwang zu bringen, wann sie Anfangs
mit den Fremden, oder mit Einheimischen zwar mehr gebräuchlichen,
aber nicht zulänglichen zusammen gefügt, oder auch sonst
mit einer Erklärung begleitet würden, biss man deren endlich mit
der Zeit gewohnet worden; da solche Vorsorge nicht weiter nöthig.

93. Uber dergleichen guten Anstalten zu Beybehaltung der Teutschen
Sprache Reinigkeit, so viel es immer thunlich, hätten die vornehmen
Scribenten durch ihr Exempel die Hand zu halten, und damit dem
einbrechenden Sturm der fremden Worte sich nicht zwar gäntzlich,
so vergebens, doch gleichsam lavirend zu widersetzen, biss solcher
Sturm vorüber und überwunden.

94. So solte ich auch dafür halten, dass in gewissen Schrifften, so
nicht wegen Geschäffte und zur Nothdurfft, auch nicht zur Lehre der
[352] Künste und Wissenschafften, sondern zur Zierde heraus kommen, ein
mehrer Ernst zu brauchen und wenige fremde Worte einzulassen seyn.

95. Dann gleichwie in einem sonst schönen Teutschen Gedichte,
ein Frantzösisches Wort gemeiniglich ein Schandfleck seyn würde, also
solte ich gäntzlich dafür halten, dass in den Schreib-Arten, so der
Poësie am nächsten, als Romanen, Lobschrifften und öffentlichen Reden,
auch gewisser Art Historien, und auch bey Ubersetzungen aller solcher
Wercke aus fremden Sprachen, und summa, wo man nicht weniger
auff Annehmlichkeit als Nothdurfft und Nutzbarkeit siehet, man sich
der ausländischen Worte, so viel immer möglich, enthalten solle.

96. Damit aber solches besser zu Werck zu richten, müste man
gewisse, noch gleichsam zwischen Teutsch und Fremd hin und her
fladdernde Worte einmal vor alle mal Teutsch erklären, und künfftig
nicht mehr zum Unterscheid mit andern Buchstaben, sondern eben
wie die Teutschen schreiben, also damit den Gewissens-Scrupel der
wolgemeynten ehrlichen Teutschen und Eiferer vor das Vaterland,
und noch überbliebenen Herren Fruchtbringenden, verhoffentlich mit
ihrem guten Willen, gäntzlich aufheben.

97. Es hat ja der treffliche Opitz so bey uns, wie Virgilius bey
den Römern, der erste und letzte seines Schrots und Korns gewesen,
kein Bedencken gehabt, dergleichen zu thun, als zum Exempel, wann
er zum Heinsio saget:

Dass deine Poësie der meinen Mutter sey.

Damit hat er, meines Erachtens, diss Wort Poesie aus habender seiner
Macht einmal vor alle mal vor Teutsch erkläret, so gut und unwiederrufflich,
als ob ein Act of parliament über eine Englische Naturalisirung ergangen.

98. Und sehe ich nicht, warum man den auswärtigen Potentzen
so wohl als Potentaten, der Galanterie so wohl als schönster Gala
und hundert andern, nicht ebenmässig dergleichen Recht der Teutschen
Bürgerschafft wiederfahren lassen könne, mit etwas besserer Art, als
etliche neuliche Gelehrte Souverainitatem zum Lateinischen Wort machen
wollen, um den Suprematum zu meiden, den ein ander gebrauchet.

99. Es haben unsere Vorfahren kein Bedencken gehabt, solch Bürgerrecht
zu geben. Wer siehet nicht, dass Fenster vom Lateinischen Fenestra?
und wer Frantzösisch verstehet, kan nicht zweiffeln, dass ebentheuer, so
bey uns schon sehr alt, von Avanture herkomme, dergleichen Exempel
sehr viel anzutreffen, so dieses Vorhaben rechtfertigen können.

100. Was ich von Auffhebung des Unterscheids der Schrifft gedacht, [353]
dass in Schreiben oder Drucken dergleichen Wort von den Teutschgebohrnen
nicht mehr zu unterscheiden, dessen Beobachtung, ob sie
schon gering scheinet, würde doch nicht ohne Nachdruck und Würckung
seyn. Es haben auch sonsten viele dafür gehalten, man solte zu einem
guten Theil Teutscher Bücher beym Druck keine andere als Lateinische
Buchstaben brauchen, und den unnöthigen Unterscheid abschaffen, gleich
wie die Frantzosen auch ihre alte Buchstaben, so sie Lettres de finance
nennen, und die in gewissen Fällen noch gebräuchlich, im gemeinen
Gebrauch, und sonderlich im Druck fast nunmehr aufgehoben.

101. Ich will zwar solches an meinem Orte dahin gestellet seyn
lassen, habe doch gleichwohl befunden, daß den Holl- und Nieder-Ländern
die Hoch-Teutsche Schrifft bey unsern Büchern beschwerlich
fürkommt, und solche Bücher weniger lesen macht, daher sie auch
selbst guten theils das Holländische mit Lateinischen Schrifften drucken
lassen, diese Behinderung zu verhüten. Und erinnere ich mich, dass,
als ich etwas vor Nieder-Länder einsmahls Teutsch schreiben lassen sollen,
man mich sonderlich gebeten, Lateinische Buchstaben brauchen zu lassen.

102. Der ander Theil der Sprach-Reinigkeit besteht in der Sprach-Richtigkeit
nach den Reguln der Sprach-Kunst; Von welchen auch
nur ein Weniges allhie gedencken will; Denn ob wohl darin ziemlicher
Mangel befunden wird, so ist doch nicht ohnschwer solchen mit der Zeit
zu ersetzen, und sonderlich vermittelst guter Uberlegung zusammengesetzter
tüchtiger Personen ein und andern Zweiffels-Knoten auffzulösen.

103. Es ist bekandt, dass schon Kayser Carl der Grosse an einer
Teutschen Grammatic arbeiten lassen, und nichts desto minder haben
wir vielleicht keine biss dato, die zulänglich; und ob zwar einige
Frantzosen sich darüber gemacht, weilen viele ihrer Nation sich von
weniger Zeit her auffs Teutsche zu legen begonnen, so kan man doch
leicht erachten, dass diese Leute dem Werck nicht gewachsen gewesen.

104. Man weiss, dass in der Frantzösischen Sprache selbst noch
unlängst viele Zweiffel vorgefallen, wie solches die Anmerckungen
des Vaugelas und des Menage, auch die Zweiffel des Bouhours zeigen,
anderer zu geschweigen; ohngeachtet die Frantzösische Sprache aus
der Lateinischen entsprossen, (welche bereits so wohl mit Regeln eingefasset)
und sonsten von mehrer Zeit her als die Unsere von gelehrten
Leuten bearbeitet worden, auch nur einen Hoff als den Mittel-Punct
hat, nach dem sich alles richtet; welches uns mit Wien auch
[354] um des willen noch nicht wohl angehen wollen, weil Oesterreich am Ende
Teutschlandes, und also die Wienerische Mund-Art nicht wol zum Grunde
gesetzet werden kan; da sonst, wann ein Kayser mitten im Reiche seinen
Sitz hätte, die Regel der Sprache besser daher genommen werden könte.

105. So geht auch den Italiänern noch biss dato ein und anders
hierinn ab, ohngeachtet alles Fleisses, den die Crusca angewendet,
gegen welche der scharffsinnige Tassoni und andere geschrieben,
und ihr Urtheil nicht allemahl ohne Schein in Zweiffel gezogen.
Und also, obschon die Italiänische Sprache unter allen Europäischen,
die erste gewesen, so zu dem Stande kommen, darin sie sich ietzo im
Hauptwerck noch befindet; immassen Petrarca und Dante noch ietzo
gut seyn, welches von keinem Teutschen, Frantzösischen, Spanischen oder
Englischen Buch selbiger Zeit gesaget werden kan. So sind doch annoch
viele Grammatische Knoten und Scrupel auch bey ihr übrig blieben.

106. Ob nun schon wir Teutsche uns also desto weniger zu verwundern
oder auch zu schämen haben, dass unsere Grammatic noch
nicht in vollkommenem Stande, so düncket mich doch gleichwohl, sie
sey noch allzuviel davon entfernet, und habe daher einer grossen
Verbesserung nöthig, sey also auch dermahleins von Teutschgesinneten
Gelehrten solche mit Nachdruck vorzunehmen.

107. Und zwar nicht allein um uns selbst aus einigen Zweiffeln
zu helffen, weilen endlich solche nicht so gar wichtig seyn, sondern
auch so wohl unsere Leute zu unterrichten, zumahl die kein Lateinisch
studiret haben, welche gar offt schlecht Teutsch schreiben, als auch
den Frembden die Teutsche Sprache leichter und begreifflicher zu
machen; welches zu unserm Ruhm gereichen, andern zu den Teutschen
Büchern Lust bringen, und den von etlichen gefassten Wahn
benehmen würde, als ob unsere Sprache der Regeln unfähig, und
aus dem Gebrauch fast allein erlernet werden müste.

108. Sonst sind wohl einige Zweiffel bey uns vorhanden, darüber
gantze Länder von einander unterschieden und Canzeleyen selbst gegen
Canzeleyen streiten, als zum Exempel, was für Geschlechts das Wort
Urtheil sey. Im Reiche beym Reichs-Hoff-Rath, beym Reichs-Kammer-Gerichte
und sonst ist Urtheil weiblichen Geschlechts und saget man
die Urtheil; Hingegen in denen Ober-Sächsischen Gerichten spricht
man das Urtheil. [355]

109. Die Urtheil hat nicht allein die höchsten Gerichte, sondern
auch die gröste Zahl vor sich. Das Urtheil aber berufft sich auff den
Sprach-Grund oder Analogie. Dann weil Theil nicht weiblichen
Geschlechtes und ehe gesaget wird das Theil als die Theil (in singulari),
so solte man meynen, es müste auch ehe das Urtheil, als die Urtheil
heissen. Doch der Gebrauch ist der Meister:

Non nostrum inter vos tantas componere lites.

Ich überlasse es künfftiger Anstalt mit vielen andern dergleichen Fragen,
welche endlich ohne Gefahr etwas warten und auff die lange Banck
geschoben werden können.

110. Nun wäre noch übrig vom Glantz und Zierde der Teutschen
Sprache zu reden, will mich aber damit anietzo nicht auffhalten, dann
wann es weder an bequemen Worten noch tüchtigen Redens-Arten
fehlet, kommt es auff den Geist und Verstand des Verfassers an, um
die Worte wohl zu wehlen und füglich zu setzen.

111. Und weil dazu viel helffen die Exempel derer, so bereits wohl
angeschrieben und durch einen glücklichen Trieb der Natur den andern
das Eiss gebrochen, so würde nicht allein nöthig seyn ihre Schrifften
hervor zu ziehen, und zur Nachfolge vorzustellen, sondern auch zu
vermehren, die Bücher der alten und auch wohl einiger neuen Haupt-Autoren
in gutes Teutsch zu bringen, und allerhand schöne und nützliche
Materien wohl auszuarbeiten.

112. Bey welcher Gelegenheit ich erinnern sollen, dass einige sinnreiche
Teutsche Scribenten, und unter ihnen der sonst Lob-würdige
Herr Weise selbst, gleichwohl diesen mercklichen Fehler noch nicht
abgeschaffet, (den auch etliche Italiäner behalten) dass sie etwas schmutzig
zu reden kein Bedencken tragen; in welchem Punct ich hingegen die
Frantzosen höchlich loben muss, dass sie in öffentlichen Schrifften nicht
nur solche Wort und Reden, sondern auch solchen Verstand vermeiden,
und daher auch in den Lust- und Possen-Spielen selbst nicht leicht
etwas zweydeutiges leiden, so man anders als sich gebühret, gemeynet
zu seyn vermercken könne. Welchem löblichem Exempel billich mehr
als bissher geschehen, zu folgen, und zumahl hessliche Worte ohne
sonderbahre Nothdurfft nicht zu dulden. Es ist freylich in der Sitten-Lehre
mit Sauberkeit der Worte nichts ausgerichtet, es ist doch aber
auch solche kein geringes.

113. Die Teutsche Poesie gehöret hauptsächlich zum Glantz der
Sprache; ich will mich aber anietzo damit nicht auffhalten, sondern
[356] nur annoch erinnern, was Gestalt meines Bedünckens einige vornehme
Poeten zu Zeiten etwas hart schreiben, und von des Opitzens angenehmer
Leichtflüssigkeit allzuviel abweichen, dem auch vorzubauen
wäre, damit die Teutschen Verse nicht fallen, sondern steigen mögen.

114. Endlich die rechten Anstalten sind billig zu künfftiger
Zusammensetzung vortrefflicher Leute auszusetzen, doch hoffet man, es
werde diese kleine Vorstellung, so in der Eil binnen ein paar Tagen
entworffen worden, nicht übel auffgenommen werden, welche als ein
kleiner Schatten-Riss dienen kan, gelehrter und wohl Teutschgesinneter
Personen Bedencken einzuholen, und vermittelst einiger Hohen
Anregung dermahleins dem Werck selbst näher zu kommen.


A114. Endlich die Verfassung und gesetze des Teutschgesinneten Ordens sind billig
deßen Vornehmen glieder, wen sich dern einige zusammen gethan, zu überlaßen,
doch kan gleichwol verhoffentlich ein und anders Vorgängig entworffen
und vorgestellet werden; wobey der Herrn fruchtbringenden löblichen exempel,
wo nicht in dem absehen und der Verrichtung (worin man etwas von ihnen
abgehen muß) doch aber in der Form und anstalt zu folgen.

A115. Nemlichen es währe zu ruhm und auffnahm der Teutschen nation und
sprache dienlich, daß einige hohe Persohnen auch Vornehme Staatsbedienten und
sonst an geist, gelehrsamkeit und guten gaben ausbündige und hierinn wolgesinnete
leute in ein Verständnis diesfalß treten mögten.

A116. Ob man sich an eine gewisse anzahl von etwa 50 oder mehr gliedern
nach exempel der Franzosen, bey denen die zahl in der Academi nicht über 40 gehet,
binden oder die freye hand behalten, oder auch einen unterscheid machen wolle
zwischen denen innern gliedern, so von beschrenkter Zahl seyn köndten, die sich alles
mehr angelegen seyn ließen, und zwischen denen andern mehr honorariis, die gleichwol
sonst einig theil an dem löbl: Vorhaben nehmen wolten, und also auch dazu
auff allerhand art behülflich seyn köndten, solches stelle zu näherer überlegung.

A117. Neben treibung des Hauptwerks könten die Ordens glieder dan und wan
ein jeder nach seiner neigung, fähigkeit und gelegenheit ein und anders dargeben
und einsenden, so gleichwol einiger massen zu dem Zweck des ordens zielen mögte;
da dan eine Versamlung oder Zusammenfaßung der außerlesensten und ohnbedenkligsten
stücken von Zeiten zu Zeiten in den Druck kommen köndte.

A118. Es würden auch außer dem die Ordensglieder bey ihren andern werken, und
auch |:sonst:| bey begebenheiten ihre einstimmung mit dem Orden, und einen löbl: eyfer
zu deßen Ruhm und gemeinen Zweck in der that erkennen zugeben, nicht ermangeln,
und sich denen von ihnen selbst festgestelleten Satzungen <des Ordens> gemäß bezeigen.

A119. Weilen nun dieses alles so bisher angeführet, und in der eil binnen ein
baar tagen entworffen worden, zum ersten schattenriß gnug zu seyn scheinet; so
würde demnach dienlich seyn, daß einiger gelehrten und wol teutschgesinneten Persohnen
fernere bedencken eingeholet, Und dan nach Zeit und gelegenheit vermittelst
hoher anregung dem Werck näher gerücket würde.


(xxx---ENDE---)
(xxx---DER-----)
(xxx---DATEI--)