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Erfahrungsbericht Lodz WS2013/14

Vorbereitung (Planung, Organisation und Bewerbung)

Im Dezember 2012 konnte man sich über ein Onlineformular bei der Universität Gießen für einen Erasmusaufenthalt bewerben. Anzugeben war eine Präferenz von drei Universitäten, die im Masterprogramm der Universität Gießen möglich sind. Ausschlaggebend für mich waren das englisch sprachige Kursangebot in Lodz und die Lage in Osteuropa, mit dem ich bis zu diesem Zeitpunkt kaum Berührungspunkte hatte und ich daher als erste Präferenz Lodz wählte. Die Zusage der Universität Gießen kam Anfang Februar.
Bis Ende Juni hatte ich dann Zeit meine Onlinebewerbung an der Universität Lodz auszufüllen und die nötigen Formulare dort online hochzuladen. Diese Onlinebewerbung ist relativ umfangreich und es braucht einige Zeit, die Informationen zusammen zu suchen, die Dokumente auszufüllen und für den letzten Schritt akzeptiert zu werden (Das wird von einem polnischen Koordinator erledigt und kann unter Umständen ein paar Tage dauern). Die nötigen Formulare sind das Learning Agreement und eine Art Datenblatt mit persönlichen Informationen.
Die Informationssuche gestaltete sich äußerst schwierig. Die Wirtschaftsfakultät der Universität Lodz schickte eine Exceldatei mit möglichen Kursen für Erasmusstudierende. Diese Datei sagte jedoch nicht aus, welche Kurse für Bachelor und Masterstudierende geeignet waren. Das Prüfungsamt im FB02 an der Universität Gießen war auch nicht hilfreich oder kooperativ. Es gab keine Auskünfte zur Anrechenbarkeit der potenziellen Kurse von der Liste. Zudem wollte das Prüfungsamt Modulbeschreibungen haben, die sehr schwer online zu finden waren oder eben nicht vorhanden. Zusätzlich braucht man für jedes Modul eine Bescheinigung darüber, dass es sich um einen Masterkurs handelt und die kann man erst in Polen beim Erasmuskoordinator vor Ort bekommen. Das ist allerdings problemlos möglich. Die polnischen Erasmuskoordinatoren sind im Allgemeinen unverbindlich, freundlich und helfen, wo es geht. Zusammenfassend ist also zu sagen, dass man sehr viel Geduld mitbringen muss, die Organisation in Polen ist eine andere und es ist überhaupt kein Problem alle in der Not in Deutschland auf dem Learning Agreement eingetragenen Kurse in Polen zu ändern. Bis der Stundenplan der Fakultät Economics in Polen erhältlich war, vergingen im Übrigen auch einige Wochen (10.10.2013)
Sicher war im Vorfeld nur, dass ein zweiwöchiger Intensiv-Kurs Polnisch angeboten wird, der bei Interesse fortgeführt werden kann und mit einer 4 CP-Klausur abgeschlossen wird. Anmelden konnte man sich für diesen Kurs wie auch für das Studentenwohnheim im Rahmen der Onlinebewerbung der Universität Lodz. Ebenfalls im Erasmus-Programm war eine 4 CP-Ringvorlesung zur Geschichte, Gesellschaft und Kultur Polens.

 

Anreise und Ankunft

Angereist bin ich mit einer Kommilitonin aus Gießen mit dem Bus. Die Fahrt dorthin dauerte dreizehn Stunden, war jedoch sehr günstig und zu zweit lässt sich das aushalten. Schon auf der Fahrt nach Polen wurden wir direkt mit polnisch synchronisierten Filmen konfrontiert und die Busfahrer sprachen weder Deutsch noch Englisch.
Dank der Mentorin meiner Kommilitonin wurden wir am Busbahnhof in Lodz abgeholt. Das war großartig und äußerst hilfreich, denn in Lodz spricht nur ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung Englisch. Das Einchecken in das Wohnheim wäre ohne Hilfe nämlich zum schwierigen Unterfangen geworden, denn die Englischkenntnisse der Rezeptionistinnen sind meist weniger als geringfügig. Selbst die Formulare sind auf Polnisch gehalten. Zudem zeigte uns die Mentorin den Weg zur Universität, die nahe gelegenen Einkaufsmöglichkeiten sowie den nächsten Visa-Bankautomaten.


Unterkunft im Studentenwohnheim (Dom Studenta)

Untergebracht waren nahezu alle ausländischen Studenten in den hochschuleigenen Wohnheimen, die sich auf einem zusammenhängenden Campus befinden. Mein Wohnheim war renoviert und sauber und wie alle Wohnheime mit einer 24-Stunden- Rezeption ausgestattet. Ich habe mir ein Zimmer mit einer anderen deutschen Studentin geteilt. In dem Apartment waren zwei Zimmer, also vier Mädchen und wir teilten uns das Badezimmer sowie einen kleinen Vorraum mit Spüle. Hier ist anzumerken, dass nichts an Küchenequipment oder ein Kühlschrank, Wasserkocher oder Toaster vorhanden war.

Die Kaution von 700 Zloty (rund 165€) musste kurzfristig in bar bezahlt werden, die Miete (ca. 350 Zloty monatlich, etwa 85€) wird per Bareinzahlung bei Banken oder der Post bis zum 25. des betreffenden Monats beglichen. Jeder Student hat jede Woche zwei Stunden Zeit zur Verfügung, seine Wäsche zu waschen. Dafür kann man sich an der Rezeption in einer Liste eintragen. Die Trockenräume waren meistens ausgebucht, d.h. wir trockneten unsere Wäsche in unserem Zimmer auf einem vorher gekauften Wäscheständer.

Insgesamt war ich sehr zufrieden mit dem Wohnheim Nr. 10. Der Campus gibt Studenten die einzigartige Chance sich miteinander zu vernetzen, zu kochen, Fernsehen zu schauen oder gemeinsam für ein Bier in den Campus-Pub zu gehen, etc.

Der Campus besteht aus über 10 Wohnheimen der Universität Łódź (UL) sowie einigen weiteren der medizinischen Universität. Somit leben in unmittelbarer Umgebung viele tausend Studenten, was den Zusammenhalt insbesondere unter den Erasmus-Leuten erheblich fördert. Hinzu kommt die durchaus passable Lage, in rund 10-15 Minuten ist man per Straßenbahn in der Stadt (Piotrkowska) oder in knapp 20 Minuten in der „Manufaktura“. In unmittelbarer Nähe lässt sich in einer Mensa, in einigen auf Studenten ausgerichteten Kneipen und Restaurants (Magic Pub, Hell’s Kitchen, Pizza Saxofon, Pizza bosca) günstig essen oder abends ein Bier trinken. Die Preise liegen bei rund 4-6 Zloty für ein 0,5l Bier (rd. 1-1,5€) oder 11-19 Zloty für eine Hauptmahlzeit mit Beilage (4-5€). Auch ein Club (Medyk) ist auf dem Lumumby Campus vertreten, einkaufen kann man in zahlreichen kleinen Läden oder dem polnischen Discounter Biedronka in unmittelbarer Nähe. Soll es in die Stadt gehen, fährt die Straßenbahn bis 23 Uhr und danach stündlich ein Nachtbus.

 

Studium an der Gasthochschule: Universität Łódź

Es gibt eine Vielzahl von Fakultäten und Studiengängen, an denen man Kurse belegen kann. Allerdings sind sie nicht besonders gut organisiert. Informationen über Kurse und Module sind nicht immer leicht oder zentral zugänglich und häufig müssen Dozenten persönlich konsultiert werden, um die entsprechenden Informationen über Kursinhalte und Vorlesungszeiten zu erhalten. Selbst Erasmus-Koordinatoren wissen manchmal nicht mehr oder weiter und so bleibt einem nur die Möglichkeit, direkt mit dem Dozenten in Kontakt zu treten. Allerdings sind dadurch auch flexible Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich CPs, Prüfungsmodalitäten und Vorlesungsinhalten möglich. Alles scheint Verhandlungssache zu sein. Das Lehrniveau scheint insgesamt unter dem der Universität Gießen zu liegen, die auf Englisch gehaltenen Vorlesungen und Seminare konnten also problemlos besucht werden. Insbesondere die Fakultät „Economics and Sociology“ bietet eine Vielzahl an Kursen, die einen optimalen Abschluss ermöglichen.

 

Alltag und Freizeit

Das Stadtbild von Łódz ist gezeichnet von grauen Gebäuden mit abbröckelnden Stuckverzierungen, dunklen Innenhöfen, dem wohl schönsten Einkaufs- und Freizeitzentrum Polens (Manufaktura) und riesigen Wandgemälden von Künstlern aus aller Welt. Mir persönlich gefielen diese Gegensätze, sie machen die Stadt irgendwie besonders. Auch wenn Łódz überhaupt nicht touristisch ausgerichtet ist, gibt es einige kulturelle Angebote. Neben unzähligen Bars und Clubs, die sich über die Pitrokowska, die längste Einkaufsstraße Europas, ziehen, gibt es auch einige Museen und Kunstausstellungen. Man muss nur die Augen offen halten. Außerdem ist die Stadt der ideale Ausgangspunkt für Kurztrips durch ganz Polen,
Das European Student Network (ESN) als Gruppe lokaler Studenten organisiert regelmäßige Events und Integrationsveranstaltungen. Neben einer Intergration Week gibt es regelmäßig nationale Abende oder auch Parties und Trips. Diese Integrationsmaßnahmen geben die optimale Chance andere Studenten aus vielen Ländern kennen zu lernen und Freundschaften mit vielen spannenden Menschen von überall zu beginnen. Das ist der Sinn und Zweck von Erasmus. Wer, vor allem im Bereich der Wirtschaftswissenschaften in Lodz, akademische Ziele verfolgt, tut sich dort schwer. Erasmus bedeutet Kommunikation und interkultureller Austausch mit Andersdenkenden aus ganz Europa. Das ist eine sehr spannende und persönlich bereichernde Erfahrung, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Lodz bietet dafür eine optimale Plattform. Diese Stadt im Herzen Polens ist nicht für ihre Schönheit bekannt. Man verliebt sich aber in sie auf den zweiten Blick und weiß vor allen Dingen die Möglichkeiten zu schätzen, die sie für den interkulturellen Austausch bietet.

 

Fazit

Ich hatte eine wirklich großartige Zeit in Polen! Als ich mich für den Auslandsaufenthalt bewarb, hatte ich das Ziel, mehr Erfahrungen im Umgang mit anderen Menschen aus anderen Ländern zu sammeln und Polen besser kennen zu lernen. Ich denke, dass ich diese Ziele erreicht habe. Die Organisation war zwar nicht immer leicht und die polnische Bürokratie und die fehlenden Englischkenntnisse haben mir einige Steine in den Weg gelegt. Aber die einmalige Erfahrung, gemeinsam mit Studenten aus ganz Europa und darüber hinaus zusammen zu studieren und Freundschaften zu schließen, war jeden Aufwand wert. Es ist ein tolles Gefühl, ein Teil von Erasmus zu sein!