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Erfahrungsbericht Modena WS2007/08

Der Gießener BWL-Student Marco Riccio studierte im Wintersemester 2007/08 an der Universität Modena in Italien. Er stellt interessierten Kommilitonen freundlicherweise diese Erfahrungen über sein Auslandssemester zur Verfügung: 

 

Lebenshaltung, Wohnen und ähnliches

Mehr oder weniger kann man sagen, dass die Preise ähnlich wie in Deutschland sind. Modena ist eine der reichsten Städte Italiens in der wirtschaftlich stärksten Region Italiens, also sollte man sich nicht wundern wenn einem beim Shoppen in Modena der Mund erstmal offen stehen bleibt. Lebensmittelkosten waren zwar etwas mehr, dafür hat man aber auch einen täglichen Markt mit frischem Fleisch, Fisch, Brot, Obst und Gemüse plus einen großen Wochenmarkt, herrlichen Parmaschinken und Parmesan gibt es natürlich an jeder Ecke und den auch billiger als in Deutschland. Für alle, die auf deutsche Lebensmittel nicht verzichten können, es gibt in Modena einen Lidl, sogar recht nahe am Wohnheim, wo man unter anderem Schwarzbrot und im Winter Glühwein bekommt. Große und günstigere Supermärkte gibt es sonst leider nicht direkt im Stadtzentrum.

Täglich essen kann man wahrscheinlich am besten und günstigsten in der Mensa, hier bekommt man für 3,50 € ein komplettes Menu (Primo, secondo, contorno, pane, bevanda, frutta ) Pizza und Nudelgerichte gibt es erwartungsgemäß an jeder Ecke auch gut und günstig. Für Feinschmecker gibt es einige Restaurants mit typisch Modeneser Küche zu gehobenen Preisen. Für 3-4 Euro kann man es sich aber auch abends beim Aperitivo gut gehen lassen (Glas Wein plus viele leckere kleine Häppchen).

Beim Weggehen muss man drauf achten, dass ab 2 Uhr laut neuem italienischen Gesetz kein Alkohol mehr ausgeschenkt werden darf und einige Bar- und Diskothekenbesitzer sich auch daran halten. Getränkepreise für Bier und Longdrinks sind wie in Deutschland.

 

Wohnen ist allerdings  teurer und vor allem nicht zum gleichen Preis/Leistungsverhältnis wie in Deutschland zu haben. Im Wohnheim kostet ein Doppelzimmer 7 Euro am Tag. Privat zahlt man in einer WG teilweise für ein Bett im Doppelzimmer schon über 150 Euro, einen Unterschied ob Mann und Frau zusammen ein Bett/Zimmer teilen kennen die Italiener da nicht. Durch die netten Kontakte die wir gemacht haben, kann man da aber schon im Vorfeld privat was suchen und vermitteln.

 

Großer Vorteil in Italien ist im Gegensatz zu Deutschland die günstigen öffentlichen Verkehrsmittel. Für Bahnstrecken 2. Klasse so um die 200-300km Entfernung (damit erreicht man viele wunderbare Städte wie Florenz, Pisa, Venedig etc.) zahlt man ca. 10 Euro pro Fahrt. In Modena bekommt man als Erasmusstudent Rabatt auf die Busse, man zahlt bspw. 20 Euro, bekommt aber 70 Euro auf die Karte geladen usw. Auch die Taxen haben einen extra Nachttarif, ähnlich wie unsere Minicars.


Qualität und Lage der Unterbringung 

Das Wohnheim wurde vor ein paar Jahren neu gebaut und befindet sich jetzt eher ungünstig außerhalb des Zentrums, weshalb wir auch nicht dort gewohnt haben. Von Besuchen können wir berichten, dass die Zimmer an sich ordentlich möbliert sind (Bett, Schrank, Schreibtisch), meist Doppelzimmer, pro Etage gibt es eine Küche und ca. 12 Zimmer. Das ganze ist allerdings nicht sehr gemütlich. Bad und Dusche hat jedes Zimmer für sich sowie einen Kühlschrank.. Dazu gibt es einen Aufenthaltsraum, einen Fernsehsaal, einen Computersaal und Trockenräume zum Waschen.

In der Nähe befinden sich wie gesagt der Lidl und weitere Supermärkte sowie ein Kino. Großer Nachteil des neuen Wohnheims ist die Lage, vor allem da abends keine Busse mehr fahren. Gerade jetzt im Wintersemester haben wir die Erfahrung gemacht, dass die dort lebenden Erasmusstudenten im Wohnheim und somit unter sich bleiben, das mag bestimmt sehr lustig sein, fördert aber nicht den Kontakt zu Italienern.

Wir können also nur empfehlen, sich privat eine Unterkunft zu suchen, man spricht mehr italienisch, wird von seinen Mitbewohnern auf noch mehr Partys mitgenommen und lernt so natürlich wahnsinnig viele Leute kennen. Es sind auch genügend Erasmusstudenten privat im Zentrum, gerade die, die Sprachen, Geschichte oder Kultur studieren suchen sich private Unterkünfte. Bei der Zimmersuche muss man allerdings früh beginnen, da der im September zum einen viele Studenten anfangen zu studieren, wie bei uns, und der August aber auch in Italien ein einziger großer Feiertag ist, also besser bereits im Juni Juli und nicht erst 2 Tage vor Ankunft. Vor Ort gibt es aber eine sehr gute Informationsbörse am Marktplatz im „Informagiovani“ wo man übrigens auch kostenlos ins W-Lan kommt. Wie bereits angemerkt, sollte man nicht zu viel von italienischen Wohnungen erwarten, Größe und Zustand können natürlich variieren, aber man findet immer etwas.

 

Betreuung durch die Hochschule

Die Betreuung in Modena durch das Ufficio degli Rapporti Internazionali ist sehr gut und man ist immer Willkommen, wenn man Hilfe braucht. Allerdings beschränkt sich die dort benötigte Hilfe leider nur auf An- und Abmeldung vom Erasmussemester.

Die sonstige Betreuung am Fachbereich lässt leider zu Wünschen übrig. Die Koordinatorin Lara Liverani ist zwar sehr bemüht und auch sehr oft anzutreffen (zur Not per Email), allerdings fehlen ihr oft die nötigen Hintergründe und Informationen, sodass man gerade bei der Fächerauswahl auf sich alleine gestellt ist. Dies ist aber ein Problem was durch beide „Partneruniversitäten“ verursacht wird und zwar weniger durch die Koordinatoren als durch die für Erasmusstudenten zuständigen Professoren, die sich auch wirklich mit den Studieninhalten auskennen. Dort, oder bei ehemaligen Austauschstudenten, also auch frühzeitig informieren, was man alles im Ausland belegen kann. 

Die Betreuung durch die zuständige Erasmus-Koordinatorin Professa Paola Bertolini ist leider nicht sehr intensiv. Wenn man wichtige Fragen hat, dann sollte man aber auf jeden Fall hartnäckig bleiben und nicht aufgeben bevor alle Fragen klar und ausführlich beantwortet sind. Auch stundenlanges Warten während der Sprechstunde (nur einmal die Woche!) sollte einen nicht davon abhalten.

Der vom Sprachzentrum angebotene Italienischkurs (2x pro Woche für 2 Stunden) ist ein netter Treffpunkt für Erasmusstudenten, allerdings sollte man sich nicht darauf verlassen dort die Sprache zu lernen. Hilfe und Informationen bekommt man aber in jedem Fall überall wenn man nachfragt.


Freizeitangebot / Flair der Stadt 

Modena ist eine kleine ruhige Stadt, mit einer wunderschönen und typisch italienischen Innenstadt (centro), mit vielen kleinen Geschäften und Cafès. Tagsüber treffen sich die "Alten" mit ihren Fahrrädern auf dem Markt oder auf dem Marktplatz zum Plausch und einem Cafè.

Gewöhnungsbedürftig ist für uns Deutschen definitiv die Mittagsruhe, die konsequent durchgezogen wird, an die man sich aber bei entsprechendem Lebensstil schnell gewöhnt. Nicht zu vergessen ist, wo man sich in Italien befindet, nämlich im „Bauch Italiens“, auf Italiens Gourmet Meile, aus der Region Bologna-Modena-Parma kommen die besten Schinken und Parmesankäse, Mortadella und weitere Wurst- und Salamisorten, aus Modena selbst der berühmte Aceto- Balsamico und Tortellini "fatto in casa", dies alles bekommt man an jeder Ecke angeboten und jede Sekunde zu spüren, wie viel Wert hier auf gutes Essen gelegt wird. Trotzdem achten die Italienier weiter auf ihre Linie und wir werden Modena als sehr Modebewusste Stadt in Erinnerung halten.

Für Sportbegeisterte gibt es mehrere Parks die zum Joggen einladen sowie zahlreiche Angebote des Centro Sportivo Universitario. Profisport gibt es entweder beim FC Modena in der zweiten italienischen Fußball-Liga zu sehen oder beim Volleyball. Im Winter kann sich sogar ein Ausflug in das nahegelegene Skigebiet anbieten. 

Das Hauptverkehrsmittel ist auch übrigens das Fahrrad! Diese gibt es entweder günstig zu kaufen oder es gibt auch einen von der Comune angebotenen Leihservice. 

Abends unter der Woche nach 19 Uhr ist in Modena fast nichts mehr los. Spätestens nach einem Glas Wein gehen die Italiener nach Hause und schauen die Tagesschau, Kochen oder beides. Gerade jetzt ist es von Vorteil junge Italiener zu kennen, die mit Tipps zur Abendgestaltung dienen können. Es gibt ein paar Diskotheken zum  Feiern und einige Irish Pubs und Bars. Es besteht aber auch eine andere Feier- und Trinkkultur als in Deutschland, an die man sich erst einmal gewöhnen muss. Wer aber immer Abwechslung braucht, kann sich einfach in den Zug nach Bologna setzen (20 Minuten, 3 Euro), die nächste Groß- und vor allem auch Studentenstadt.

Was man aber eh am meisten machen sollte ist Reisen, Modena liegt wahnsinnig zentral und bietet tolle Städteausflüge für einen Tag oder übers Wochenende. Auch zum Meer ist es zu beiden Seiten nicht mehr als 2 Stunden Zugfahrt.


Qualität der belegten Kurse bzw. Qualität und Art der Lehre 

Die Vorlesungen finden dreimal wöchentlich statt und sind manchmal intensiver als in Gießen, eher wie an einer Fachhochschule. Wichtig zu wissen ist, dass das Semester in 2 Perioden unterteilt ist. So findet die erste Klausurenphase Anfang Oktober statt und die zweite im Januar nach jeweils 5-6 Wochen Vorlesungen.

Die erste Phase ist sicherlich gerade für Sprachanfänger zu früh, aber da im Februar für diese Vorlesungen Nachschreibeklausuren angeboten werden, hat man die Möglichkeit sehr viele Klausuren zu schreiben.

Die Veranstaltungen an sich unterscheiden sich sehr. Manche sind genau die Substitute zu unseren Vorlesungen, andere allerdings auch sehr verschieden. Daher sollte man sich gut vor dem Auslandsaufenthalt über die angebotenen Vorlesungen und deren späterer Anrechenbarkeit informieren. Grundsätzlich kann man sagen: Je früher man ins Ausland geht, desto mehr anrechenbare Veranstaltungen gibt es.

Bei den Klausuren kommt es dann ganz auf den Prof. und Fach an, ob er einem entgegenkommt oder nicht. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass von Kursen aus dem Finanzwesen eher abzuraten ist (bis auf Ökonometrie), das fängt bei der sprachlichen Verständlichkeit an und hört bei der Klausur auf. Bei den anderen kommt es ganz auf das sprachliche Verständnis und wieder den Prof. an, inhaltlich sind einige mindestens gleichwertig mit unseren, andere erscheinen einfacher, trotzdem ist es kein Kinderspiel gute Noten zu schreiben. 

Umfang der notwendigen Kenntnisse der Sprache

Je größer der "Umfang" umso besser! Man sollte auf jeden Fall nach dem Weg fragen können und die wichtigsten Worte und Sätze kennen! Falls man trotzdem nicht weiter kommt, kann man immer gerne ins Ufficio degli Rapporti Internazionali kommen und dort um Hilfe bitten (notfalls sogar auf Englisch). 
Englisch wird aber in der Regel nur schlecht gesprochen. Erfahrungsgemäß lernt jeder relativ schnell das, für die Konservation notwendige Italienisch, allerdings wird man mit schlechtem Italienisch erst mal Probleme haben, gerade was die Vorlesungen angeht.

Da aber auch genug andere deutsche Erasmusstudenten da sind, wird man irgendwie überleben.


Allgemeines Urteil über den Aufenthalt an der Partnerhochschule als Erasmus-Studentinnen: 
Uns hat das Auslandssemester einen riesen Spaß gemacht. Neben den sprachlichen Fähigkeiten die man nach eigenem Wohlwollen erlernen kann, gibt es so viel in einem fremden Land zu entdecken - Kultur, Geschichte und Umgebung. Dafür bietet Modena wirklich den perfekten Ausgangspunkt. Im Hinblick auf das Studium bekommt man tolle Einblicke über die Grundlagen und Funktion der ausländischen Wirtschaft und ihre Lehre an der Universität. Aber noch wichtiger als das "fachliche Plus" sind die kulturellen, sozialen und menschlichen Erfahrungen, die man macht, aber erst im Nachhinein zu schätzen weiß. Nicht nur, dass man die Mentalität eines anderen Landes näher kennen lernt, ,man macht auch in der Uni, Wohnheim oder Wohnung und auch sonst privat so viele neue Erfahrungen mit Anfangs sehr fremden Menschen, von denen man viel lernt, mit denen man viel Spaß hat und von denen einige auch über das Auslandssemester hinaus bestimmt gute Freunde bleiben. Erasmus ist jedem nur zu empfehlen.

Alles in allem kann man nur sagen, dass ein Erasmussemester nur zu empfehlen ist und geschadet hat es bestimmt auch noch keinem.

In diesem Sinne, viel Spaß!